In der Nacht auf Sonntag ist es wieder so weit: Um 3.00 Uhr morgens springen die Zeiger auf 2.00 Uhr zurück – die Winterzeit beginnt. Wir gewinnen eine Stunde Schlaf, verlieren aber oft ein wenig die Orientierung. Für viele ist die Zeitumstellung längst ein überflüssiges Ritual, das man gerne abschaffen würde. Doch warum tun wir uns diesen halbjährlichen Zeitsprung überhaupt an? Bereits 1784 sinnierte der amerikanische Erfinder Benjamin Franklin darüber, dass man durch frühes Aufstehen Kerzen sparen könne – damals noch mit einem Augenzwinkern. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde daraus ein ernst gemeinter Vorschlag: Der Engländer William Willett forderte 1907, die Uhren im Sommer vorzurücken, um das Tageslicht besser zu nutzen. Sein Plan scheiterte zu Lebzeiten, doch im Ersten Weltkrieg griffen Deutschland und später andere Länder die Idee auf – Energiesparen war plötzlich eine patriotische Pflicht.
In der Schweiz wurde die Sommerzeit 1981 eingeführt, vor allem aus praktischen Gründen: Die Nachbarländer hatten sie bereits, und unterschiedliche Zeitzonen mitten in Europa hätten logistisch ein Wirrwarr verursacht. Seither wird die Zeit in der Nacht zum letzten Sonntag im März vorgestellt und im Oktober zurückgestellt.
Kleine Stunde, grosse Wirkung
Nur: Der eigentliche Nutzen bleibt umstritten. Zahlreiche Studien zeigen, dass der Energieeffekt minimal ist. Zwar wird abends etwas weniger Strom für Beleuchtung verbraucht, doch morgens heizen viele früher – die Bilanz ist also ausgeglichen. Dafür spüren viele Menschen den Eingriff umso deutlicher: Der Körper braucht Tage, manchmal Wochen, bis sich der Biorhythmus wieder eingependelt hat. Besonders Kinder, ältere Menschen und Schichtarbeitende reagieren sensibel auf die verschobenen Schlafzeiten.
Ein ewiges Hin und Her
Auch politisch dreht sich die Uhr im Kreis. Eine EU-weite Umfrage von 2018 ergab, dass sich über 80 Prozent der Teilnehmenden für ein Ende der Zeitumstellung aussprachen. Das Europäische Parlament stimmte sogar dafür – doch bis heute liegt die Umsetzung auf Eis. Die Staaten konnten sich schlicht nicht einigen, ob künftig dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll. Und solange sich Europa nicht einig ist, bleibt auch die Schweiz im gewohnten Takt.
Dabei ist der Widerstand altbekannt. Seit Jahren kursieren Vorstösse, Petitionen und hitzige Stammtischdebatten. Manche schwören auf die hellen Sommerabende, andere sehnen sich nach einem konstanten Rhythmus. Fakt ist: Unser inneres Zeitgefühl lässt sich nicht einfach umprogrammieren. Selbst eine Stunde Unterschied kann sich anfühlen wie ein kleiner Jetlag – nur ohne Ferien.
Wer den Übergang etwas sanfter gestalten will, kann seinen Körper vorbereiten: in den Tagen davor etwas früher zu Bett gehen, morgens das Fenster öffnen, Licht tanken, sich bewegen. Tageslicht ist der beste Taktgeber für die innere Uhr.
Und so drehen wir auch dieses Wochenende wieder brav an unseren Zeigern – wissend, dass es vielleicht irgendwann das letzte Mal sein könnte. Bis dahin gilt: eine Stunde länger schlafen, gemütlich frühstücken – und sich darüber freuen, dass man die Zeit wenigstens einmal im Jahr ein bisschen «zurückdrehen» darf.




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