21.02.2024 PS 2 min
Symbolbild: Jon Duschletta

Symbolbild: Jon Duschletta

Eine kleine Sache verfolgt mich seit geraumer Zeit quer durch viele Kino- und Fernsehfilme. Klein, aber nervig. Und klar, je mehr ich es beachte, desto mehr fällt es mir auf. Zuletzt sogar in einen Film auf Arte, im Übrigen sehr schönen und empfehlenswerten Film «A E I O U  –  Das schnelle Alphabet der Liebe». Da wird die Hauptfigur, Anna, gleich zu Beginn des Films auf offener Strasse angerempelt, die Tasche wird ihr von der Schulter gerissen und sie fällt zu Boden. Ein Mann eilt hinzu, hilft ihr aufzustehen und fragt: «Alles okay?» Gleiches höre und sehe ich immer und immer wieder: Ein verzweifeltes, tränenüberströmtes Frauengesicht in Nahaufnahme, dann die sanfte, umsorgte Männerstimme: «Alles okay?» Ernsthaft. Ich will, dass sie ihn anschreit: «Nein, nichts ist okay, siehst du doch, du Vollpfosten!» 
Aber nein, ein simples «Alles okay?» muss reichen, auch wenn jemand blutüberströmt und mit verrenkten Gliedern auf dem gefrorenen Boden liegt, wenn sich jemand mit schmerzverzerrtem Gesicht aus einem Autowrack müht, jemand verzweifelt auf der Dachkante des Hochhauses steht oder jemand zitternd, mit starrem Blick und einem rauchenden Colt in der Hand vor einem Toten steht: «Alles okay?» Ja, klar, keine Sorge, alles okay, alles gut, hab nur grad meinen neuen Sportflitzer um einen Baum gewickelt und mir dabei alle Knochen gebrochen ...

In solchen Momenten frage ich mich, passiert solches auch im wirklichen Leben? Rufe ich dem Bergsteiger, der in drei Metern Tiefe kopfüber in einer Gletscherspalte steckt und nach Hilfe röchelt, tatsächlich die Frage aller Fragen zu: «Alles okay?» 

Bei den Filmen frage ich mich dann jeweils, was um Himmels Willen sich Regisseure und Regisseurinnen dabei denken? Sie, die doch ansonsten nie um tiefgründige und blitzgescheite Dialoge verlegen sind, und das für jede noch so aussichtslose Situation. Dialoge, die ich, so sehr ich mich auch bemühe, nie und nimmer und schon gar nicht zur rechten Zeit und am rechten Ort über meine Lippen bringe.

Wie auch immer. Achten Sie doch zukünftig selbst auf solche Filmszenen. Wetten, auch Ihnen wird dieses unsägliche «Alles okay?» sofort auffallen und vor allem, es wird Sie nicht mehr loslassen. Und wenn Sie mich deswegen bei unserem nächsten Treffen böse anschauen, dann werde ich eine unschuldige Miene aufsetzen und leise fragen: «Alles okay?»

j.duschletta@engadinerpost.ch

PS

PS werden von den Redaktorinnen und Redaktoren der Engadiner Post / Posta Ladina geschrieben und erscheinen wöchentlich in der Samstagsausgabe der EP/PL.