Am Montag hat der Bündner Regierungsrat den Skigebieten die Betriebsbewilligung bis 3. Januar erteilt. Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht richtig. Ein komplettes Abwürgen des Motors des Bündner Wintertourismus hätte massive wirtschaftliche Folgen. Nicht nur für die Bergbahnen, die über die Festtage ein Viertel ihrer Wintereinnahmen generieren und so 4000 Mitarbeitern ein Einkommen sichern. Betroffen wäre das ganze Tourismusgeschäft, und dieses steuert ein Drittel zur Bündner Wertschöpfung bei.
Aus epidemiologischer Sicht hingegen bleibt ein zwiespältiges Gefühl. Wenn der Bündner Volkswirtschaftsdirektor von einer «hochdynamischen Lage» spricht und von Fallzahlen, die nicht dort sind, wo sie sein sollten, bringt er das Problem auf den Punkt. Graubünden hat rund 100 Fälle pro Tag, die Reproduktionszahl ist über eins, das heisst, die Neuinfektionen steigen weiter. Zumindest zeigt die Tendenz der letzten Tage, dass es behutsam in die richtige Richtung geht. Und die Spitäler verfügen über genügend Kapazitäten.
Nur, was heisst das heute schon? Der Start in die Festtage erfolgt erst am kommenden Wochenende. Es ist davon auszugehen, dass die, die reisen dürfen – und das sind vor allem die Schweizer Gäste – Ruhe und Erholung in den Schweizer Bergen suchen. Regierungsrat Marcus Caduff rechnet mit «vollen Destinationen». Das bedeutet für das Oberengadin nichts anderes, als dass die Region für kurze Zeit zur sechstgrössten Schweizer Stadt wird, mit rund 100 000 Bewohnern. Auch wenn aufgrund der speziellen Situation weniger Leute ins Engadin reisen dürften – die logistischen Herausforderungen sind in diesem Jahr für die Wintersportorte gewaltig.
Weniger am Berg. Dort gibt es gute Schutzkonzepte, und das Skifahren in der freien Natur auf gesicherten Pisten ist nicht das Hauptproblem. Wie aber können die Grossverteiler den zu erwartenden Ansturm bewältigen, welcher angesichts geschlossener Restaurants noch höher ausfallen dürfte als sonst über die Festtage? Wie lassen sich Gästeansammlungen an neuralgischen Orten wie Fussgängerzonen oder beliebten Spazierwegen vermeiden? Und wie kann der öffentliche Verkehr auf der Strasse und der Schiene den corona-konformen Personentransport gewährleisten?
Die Schliessung der Skigebiete hätte diese Probleme nicht gelöst, im Gegenteil. Doch die Tourismusdestinationen stehen unter genauer Beobachtung. Sollte das Infektionsgeschehen in den Wintersportorten ausser Kontrolle geraten, wäre das für den Tourismus ein Reputationsschaden mit enorm negativen und vor allem langfristigen Folgen. Das wollen alle vermeiden. Dafür braucht es auch alle, die ihren Teil dazu beitragen.
Trotzdem, wenn das nur gut kommt: Diese innere zweifelnde Stimme lässt sich angesichts der aktuellen Situation nicht so einfach stummschalten.

Autor: Reto Stifel
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