Während des kurzen Wintereinbruchs vom 3. auf den 4. November wurden 18 Kraniche oberhalb von S-chanf zu einem Stopp auf ihrem Zugweg Richtung Süden gezwungen. Nur selten wählen diese in Nordosteuropa brütenden, wunderschönen Grossvögel ihren Zugweg durchs Engadin. Die Beobachtungen ziehender Kraniche haben in den letzten Jahre im Engadin aber deutlich zugenommen. Dies hat in erster Linie mit Bestandserholungen in den Brutgebieten dank intensiver Schutzbemühungen zu tun.

Die ruffreudigen Kraniche wurden nach einer stürmischen Nacht am 4. November erstmals frühmorgens bei Zuoz gehört, dann verlagerten sie sich nach S-chanf. Dort verharrten sie über dem Dorf im zehn Zentimeter hohen Neuschnee. In zwei Gruppen zu sechst und zu zwölft kommunizierten sie immer wieder mit den typischen nasalen, namensgebenden «cranuh»-Rufen. 

Im Neuschnee stocherten sie mit ihren langen Schnäbeln und bewegten sich langsam zu Fuss hangaufwärts. Kurz nach Mittag, als sich die letzten Wolken auflösten, reckten die Kraniche synchron ihre Hälse, als wollten sie ihre Bereitschaft zum Abflug signalisieren. 

Um Punkt 12.25 Uhr erhob sich zuerst der Sechser-, dann auch die Zwölfergruppe in den strahlend blauen Himmel. Sofort nahmen sie die legendäre Keilformation ein und zogen im kräftezehrenden Ruderflug Richtung Malojapass gen Süden weiter. Gute Weiterreise und glückliche Heimkehr im nächsten Frühling, ihr schönen Vögel.

Autor und Fotos: David Jenny