Seit fast 100 Jahren läuft die «Maschinengruppe 3» im Wasserkraftwerk Robbia – bis heute. Noch einmal zehn Jahre früher, 1919, wurde das Kraftwerk nach dreijähriger Bauzeit in Betrieb genommen und danach Schritt für Schritt weiter ausgebaut.
Gebaut und betrieben wurde die Anlage von der damaligen Kraftwerke Brusio AG, welche im Jahre 2000 mit der AG Bündner Kraftwerke in Klosters-Serneus und der Rhätischen Werke für Elektrizität AG in Thusis zur Rätia Energie AG fusionierte und 2010 in die Repower AG umgewandelt wurde. Die Repower AG ist heute ein international tätiges Energieversorgungsunternehmen mit operativem Hauptsitz in Poschiavo. Insgesamt beschäftigt die Repower-Gruppe rund 560 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 30 Lernende in der Schweiz sowie fast 600 Vertriebsberater in einem ihrer Schlüsselmärkte, Italien.

Der Blick zurück
Das Kraftwerk Robbia nutzt den sogenannten Cavagliasco-Fall von der Hochebene Cavaglia bis hinunter in den Talboden vor San Carlo und begründete mit seiner Inbetriebnahme die Wasserkraftnutzung der oberen Stufe im Puschlav. Die Kraftwerkanlage wurde im Jahr 1921 mit der «Maschinengruppe 3» erweitert, die heute noch in Betrieb ist. In den Jahren 1926 und 1927 folgte mit Bau der Kraftwerke Palü und Cavaglia der weitere Ausbau der oberen Stufe. Zwischen 1940 und 1945 wurde das Kraftwerk Robbia samt der Triebwasserwege erweitert. Dabei wurden neue Gewässer gefasst, das Ausgleichsbecken Puntalta und ein zweiter Druckstollen gebaut und die «Maschinengruppe 1» installiert. Schliesslich wurde das Kraftwerk 1956 mit der «Maschinengruppe 2» zum heutigen Ausbaustandard erweitert.

Grösste Investition der Unternehmernsgeschichte
Wie die Repower AG in einer Mitteilung schreibt, ist zur Sicherstellung des langfristigen Weiterbetriebs der Kraftwerkanlage eine umfassende Erneuerung unumgänglich geworden. Mit budgetierten 125 Millionen Franken Gesamtkosten plant Repower in den nächsten drei Jahren die grösste Erneuerungsinvestition in der Geschichte des Unternehmens.
Dabei wird das Wasserkraftwerk Robbia von den Wasserfassungen bis zum Auslauf komplett erneuert. Die Vorbereitungsarbeiten für die Gesamterneuerung starten Ende Juni und starten wegen den Auswirkungen der Corona-Pandemie mit etwas Verzögerung. Ursprünglich war der Baustart nämlich für Mai geplant. Trotz einer leicht veränderten Zeitplanung ist die Inbetriebnahme des gesamterneuerten Wasserkraftwerks per Ende 2023 vorgesehen.

Die Arbeiten in der Übersicht
Das Gebäude der Kraftwerkszentrale Robbia bei San Carlo wird von Mitte 2020 bis zum Abschluss der Arbeiten fast komplett ausgehöhlt und die alten Maschinen werden durch drei baugleiche Maschinensätze ersetzt, samt neuer Fundamente und Anschlüsse an den Unterwasserkanal. Erneuert werden neben der Krananlage auch alle übrigen Kraftwerkseinrichtungen wie Energieableitung, Eigenbedarfsversorgung, Kraftwerksteuerung, Kommunikationseinrichtungen sowie die Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlage.
Die von Lawinenzug und Landschaftsschutzzone beeinflusste Wasserfassung Salva eingangs der Val da Camp wird ab dem nächsten Frühling während der Dauer von gut einem Jahr erneuert, um die geforderte Fischdurchgängigkeit zu erreichen, die Erhöhung der Ausbauwassermenge zu gewährleisten und auch der landschaftlichen Aufwertung des Standortes gerecht zu werden. Vorbereitungsarbeiten beginnen bereits diesen Herbst.
Im selben Zeitrahmen wird die rund 1,4 Kilometer lange Überleitung Salva-Braita erneuert, inklusive den Einrichtungen für die Druckregulierung der Überleitung. Als Ersatz der bestehenden alten Betonleitung sind glasfaserverstärkte Kunststoffrohre, sogenannte GFK-Rohre mit einem Durchmesser von 1,2 Meter vorgesehen.
An der Wasserfassung Braita wird der Poschiavinobach gefasst. Hier wird ab Mai 2021 und bis Herbst 2022 der bestehende Erddamm aus Hochwasserschutzgründen um 40 Zentimeter und um stellenweise bis zu einem Meter erhöht und mit einer neuen, mit Blocksteinen und Schuttmaterial eingedeckten Betonkrone versehen. Der Damm bildet das Ausgleichsbecken Braita respektive den Lagh da Braita, der mit seinem aktuellen Nutzvolumen von rund 3000 Kubikmetern Wasser als Sandfang für die Fassung Braita dient. Um der Verlandung des Sees entgegenzuwirken, werden zukünftig effiziente Spülungen durchgeführt. An der Stelle des heutigen kleinen Grundablasses ist deshalb eine Spülschütze mit entsprechendem Spülkanal vorgesehen.
Die in den 1940er-Jahren erstellte, gut drei Kilometer lange Rohrleitung der Überleitung Braita-Puntalta aus unarmiertem Beton wird auf dem gleichen Trassee durch eine GFK-Kunststoffleitung ersetzt. Vorarbeiten finden diesen Sommer statt, die eigentlichen Arbeiten dann zwischen Mai 2021 und Herbst 2022.
Ferner wird ab dem nächsten Sommer das Speichervolumen des unterirdischen Reservoirs erhöht sowie das Wasserschloss und die Wasserfassung Puntalta erneuert. Davon versprechen sich die Repower eine höhere Flexibilität bei der Energieproduktion im Tagesverlauf. Und schliesslich werden die beiden Druckrohre der Druckleitung Balbalera mit ihrem 600-Meter-Gefälle durch ein einziges grösseres Rohr ersetzt. Diese Arbeiten sollen ab Frühjahr 2022 für gut ein Jahr stattfinden.

Neu 120 GWh Energieproduktion
Mit der Gesamterneuerung geht auch die Optimierung des Triebwassersystems mittels Minimierung hydraulischer Verluste und Optimierung der Betriebswassernutzung einher. Wie Repower schreibt, sichert sich das Energiedienstleistungsunternehmen damit die zuverlässige Stromproduktion in der Valposchiavo mit 100 Prozent erneuerbarer heimischer Wasserkraft für zukünftige Generationen. «Die Erneuerung des Wasserkraftwerks Robbia ist ein wertvoller Beitrag an die Energiestrategie 2050 des Bundes, die neben dem Ausbau der Wasserkraft auch den Erhalt der bestehenden Wasserkraftwerke zum Ziel hat.» Nach Abschluss der Arbeiten kann die jährliche Stromproduktion um rund zehn Prozent auf neu circa 120 GWh erhöht werden. Für die Gesamterneuerung wurde Repower vom Bundesamt für Energie ein Investitionsbeitrag für Grosswasserkraftwerke zugesichert. Für den neuen Repower-CEO, Roland Leuenberger, ist «die grösste Erneuerungsinvestition von Repower seit ihrer Gründung ein starkes Bekenntnis zur Bündner Wasserkraft.» Die Investitionen würden zudem qualifizierte Arbeitsplätze in der Valposchiavo sichern und volkswirtschaftlich gesehen von grosser Bedeutung für den ganzen Kanton Graubünden sein, so Leuenberger.

Autor und Foto: Jon Duschletta