Das Weihnachtspäckchen ist geschnürt. Ob die St. Moritzerinnen und St. Moritzer dieses auch öffnen wollen, entscheidet sich am 4. Dezember. Dann nämlich findet die Budget-Gemeindeversammlung statt und die Stimmbe­rechtigten können darüber entschei­den, ob sie ab dem kommenden Jahr weniger Einkommens- und Vermö­genssteuer zahlen wollen. Auf Antrag des Gemeindevorstandes hat der Gemeinderat am Donnerstag mit 9:3 Stimmen dem Souverän eine Senkung des Steuerfusses von heute 60 auf neu 55 Prozent empfohlen. Das hätte Mindereinnahmen von 2,8 Millionen Franken zur Folge.

Nicht umgesetzte Grossprojekte
Für die Erfolgsrechnung 2024 wird ein Überschuss von knapp drei Millionen Franken ausgewiesen, bei geplanten Investitionen von knapp 60 Millionen Franken. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings immer eine grosse Diskrepanz zwischen den Zahlen in den Budgets und jenen des effektiven Rechnungsergebnisses gezeigt. Primär zurückzuführen auf viel höhere Einnahmen aus den Spezialsteuern. Gegen eine Steuersenkung sprach sich vor allem Martin Binkert (Die Mitte) aus. Er gab zu bedenken, dass die hohen Ertragsüberschüsse – auch die Rechnung 2023 wird viel besser abschneiden als prognostiziert – ebenfalls darauf zurückzuführen ist, dass viele Grossprojekte seit Langem in der Pipeline seien und aus verschiedensten Gründen nicht realisiert würden. Sobald sich dieser Investitionsstau auflöse, müssten die Steuern sofort wieder erhöht werden, was alles andere als nachhaltig sei. Zudem habe der Kanton ebenfalls eine Steuersenkung geplant, was auch die Gemeindefinanzen belasten werde. «Machen wir keine Symbolpolitik mit einer Steuersenkung von heute schon tiefen 60 auf neu 55 Prozent», sagte Binkert.

«Können uns das leisten»
Für Martina Gorfer von der FDP darf die geplante Steuersenkung nur ein erster Schritt sein. Dass die Gemeinde versuche, mit einem tiefen Steuersatz attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben, sei richtig. Solange es aber an Wohn- und Gewerberaum fehle, genüge das nicht, um Zuzugswillige anzuziehen. Parteikollege Curdin Schmidt teilte die Meinung von Martin Binkert, dass eine Steuersenkung nachhaltig sein muss, sprich, für mindestens fünf Jahre. Das sei sie gerade auch vor dem Hintergrund des bevorstehenden Rechnungsabschlusses für das laufende Jahr. «Wir können uns das leisten», betonte auch Gemeindepräsident Christian Jott Jenny. Eine Gemeinde sei keine Bank, sondern müsse mit ihren Mitteln geschickt umgehen und auch investieren. Auch wenn in den kommenden Jahren Projekte umgesetzt würden, sei das mit der aktuel­len finanziellen Situation zu stemmen, ohne sofortige Steuerer­höhung. «Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass, wenn notwendig, die Steuern auch wieder erhöht werden müssen.»

Drittgünstigste Gemeinde
Sollte die Steuersenkung anlässlich der Gemeindeversammlung eine Mehrheit finden, wäre St. Moritz nach La Punt Chamues-ch (49 Prozent) und Celerina (50 Prozent) die drittgünstigste Gemeinde in Südbünden. Auch kantonal gesehen gehören diese Sätze zu den tiefsten, nur in wenigen Kraftwerksgemeinden zahlen die Einwohner noch weniger. Der Steuersatz für die Liegenschaftssteuer soll unverändert bei 0,5 Promille belassen werden.
Das Budget, die Erfolgsrechnung und die Investitionsrechnung der Gemein­de und des Elektrizitätswerkes wurden vom Rat einstimmig zuhanden der Gemeindeversammlung verabschie­det.
Im Weiteren hat der Gemeinderat die Kommission für die Arealentwicklung Islas mit einer kommunalen Eissporthalle, einer Wertstoffsammelstelle und einer gedeckten Parkierungsanlage gewählt. Die Kommission setzt sich aus Reto Matossi und Gian Marco Toma­schett vom Gemeindevorstand und den Gemeinderatsmitgliedern Martina Gorfer, Gian Reto Staub, Annemarie Flammersfeld und Riccardo Ravo zusammen. Ohne Stimmrecht Einsitz nehmen Vertreterinnen und Vertreter aus drei gemeindeeigenen Abteilungen.

Rücktritt nahegelegt
Das hat es in der Geschichte des St. Moritzer Gemeinderates wohl noch nie gegeben: Dem erst im vergangenen Jahr gewählten Gemeinderat Loris Moser von der Gruppierung next generation wurde von Ratspräsident Leandro A. Testa nahegelegt, über einen Rücktritt nachzudenken, dies, weil Moser kaum je an den Ratssitzungen teilnehme. «Wir brauchen im Rat Leute, die ihren Verpflichtungen nachkommen und bereit sind, aktiv mitzuwirken», sagte Testa. Bereits im Juni hatte Gemeinderätin Franca Bonetti ein Auskunftsbegehren eingereicht, mit der Frage, was als begründete Entschuldigung gilt. Dies, nachdem nur bei der ersten Sitzung im Januar zur Abnahme des Amtsgelübdes alle Ratsmitglieder anwesend gewesen seien. Das Auskunftsbegehren wurde später ohne Gegenstimme als erledigt betrachtet und abgeschrieben.
Moser selber konnte im Gemeinderat keine Stellung zu der Rücktrittsempfehlung nehmen. Er war ferienhalber abwesend.

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Zaugg