Das Gesuch zur Erstellung der Photovoltaik-Grossanlage auf der Flugplatzebene von Samedan sei «vollumfänglich abzuweisen». So formuliert die IG «Nein zur Solar-Grossanlage Samedan» in ihrer vom 27. Mai datierten Einsprache ein entsprechendes Rechtsbegehren. 

Die Interessengemeinschaft rund um Roland Andri, Curdin Niggli, Silvio und Gianluca Steiner argumentiert damit, dass «für das nun aufgelegte, abgeänderte Projekt keine Genehmigung der Gemeindeversammlung vorliegt», was ihrer Ansicht nach eine Voraussetzung für das Baugesuch darstelle. Weiter wirft die IG den Projektinitianten und den zuständigen Behörden fehlende Information der Bevölkerung vor. 

Die Interessengemeinschaft schreibt in ihrer Einsprachebegründung, dass das im Mai öffentlich aufgelegte Projekt jetzt plötzlich um rund die Hälfte kleiner geworden sei, statt der im Vorprojekt kommunizierten Grösse von 52 Hektar es jetzt nur noch rund 21 Hektar gross werde und entsprechend auch die Stromproduktion von 37 GWh pro Jahr auf noch knapp 19 GWh redimensioniert worden sei. «Mit dem neuen Projekt wird das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen wesentlich schlechter und muss somit der Bevölkerung neu vorgelegt werden», fordern die Einsprecher. Zudem habe sich laut der IG auch die projektbezogene Fläche der gemeindeeigenen Landparzellen um 40 Prozent von zehn auf noch rund sechs Hektar verringert, was die Erträge aus dem Dienstbarkeitsvertrag zwischen der Gemeinde und der Projekt­gesellschaft schmälern würde.

«Zurückhaltend und transparent»
Thomas Nordmann ist Gründer und Geschäftsführer der auf Planung und Konzeption von Solaranlagen spezialisierten TNC Consulting AG. Diese bildet zusammen mit dem gemeinde­eigenen Elektrizitätswerk Energia Samedan die Projektgesellschaft ESE Energia Solara Engiadinaisa. Auf Anfrage zeigt sich Nordmann gelassen, was die beiden Einsprachen der IG und der Infra Regionalflughafen Samedan (siehe Infobox) betrifft: «Wir haben uns zurückhaltend, aber korrekt und transparent verhalten», sagt er und verweist auf eine anstehende Informationsveranstaltung, welche am Mittwoch, 19. Juni, in Samedan stattfinden soll.

Ohne im Vorfeld dieser Veranstal­tung schon alle Argumente offenlegen zu wollen, betont er, Änderungen seien im Rahmen einer solchen Projektentwicklung normal. «Die Gründe für die Redimensionierung der Anlage sind weder unüberlegter noch leichtfertiger Natur und werden von uns an der Informationsveranstaltung dargelegt.» Die Einsprachen lägen aktuell beim federführenden kantonalen Amt für Raumentwicklung und würden dort departementsübergreifend geprüft. Und zum verkleinerten Perimeter ergänzt Nordmann: «Einen solchen Perimeter kann man nicht gegen den Willen der Landeigentümer entwickeln. Er ist zu respektieren, will man 35-jährige Verträge abschliessen.» Im Vorfeld hatten alle involvierten Landeigentümer der ESE ein Planungsrecht zugesprochen. «Wir als Projektentwickler alleine haben die Kosten-Nutzen-Rechnung zu verantworten.» Und auf eine allfällige Schmerzgrenze der Anlagengrösse angesprochen, sagt er: «Eine solche ist mit der minimalen jährlichen Stromproduktion von zehn GWh vom Bund vorgegeben. Davon sind wir aber noch weit entfernt.»

Wirtschaftlichkeit und Landwirtschaft
Roland Andri der Interessengemeinschaft mahnt auf Anfrage, dass der ökonomische und finanzielle Aspekt des Samedner Projekts gänzlich anders gelagert sei, als bei PV-Projekten, hinter welchen Strom-Grosskonzerne stünden wie beispielsweise aktuell in der Surselva: «Hier beabsichtigt Energia Samedan, den Strom zu übernehmen und diesen selbst lokal und regional zu verkaufen.» Sie sähen darin ein hohes ökonomisches Risiko, so Andri, «weil der Strom so mit hoher Wahrscheinlichkeit teurer ist als auf dem freien Markt. Wenn Energia Samedan den Strom nicht wegbringt, schlechte Preise dafür bekommt – bis hin zu möglichen Negativpreisen im Sommer – dann fällt das alles zurück auf die Bevölkerung.» Zudem, so Andri, sei die Anlage auch in einer redimensionierten Variante «immer noch eine sehr grosse und von vielen Häusern aus einsehbare Anlage.»

Zu reden wird an der Informationsveranstaltung auch ein weiterer Kritikpunkt der IG geben. Diese zitiert in ihrer Begründung nämlich aus einem Brief des Amtes für Landwirtschaft und Geoinformation, welcher am 12. Juli 2023, also einen Tag vor der damaligen Gemeindeversammlung, an die TNC Consulting AG ging. Die Aussage: Die Solaranlage diene gemäss einer Übergangsbestimmung im Energiegesetz einzig und eindeutig der Energieproduktion. Mit dem Bau der Anlage entfalle trotz landwirtschaftlicher Nutzung der Zwischenräume der landwirtschaftliche Hauptzweck, und damit sei auch die Berechtigung zum Erhalt von Direktzahlungen nicht gegeben, so die Interessengemeinschaft.

Für die Standortgemeinde Samedan nimmt Gemeindeschreiber Claudio Prevost Stellung. Er betont, dass die PV-Anlage kein gemeindeeigenes, sondern ein privates Projekt sei und alles, was über die erfolgte Baubewilligung hinausgehe, Sache der Initianten sei, auch eine allfällige neue Kosten-Nut­zen-Rechnung auf der Basis eines neuen Projektperimeters. «An der Gemeindeversammlung vom 11. Juli geht es deshalb nicht um ein Ja oder Nein zum Projekt selbst, sondern einzig darum, ob der Souverän die gemein­deeigene Parzelle für das Projekt zur Verfügung stellen und den Dienstbarkeitsvertrag unterzeichnen will oder nicht.» 

Thomas Nordmann, froh darüber, dass lediglich zwei Einsprachen gegen das Projekt eingegangen sind, betont, dass das Projekt bis auf die vom Solarexpress ausgeklammerten raumplanerischen Verfahren genau wie andere Bauprojekte auch den BAB-Vorgaben von Bauten ausserhalb der Bauzonen wie auch den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung standhalten müsse. Der Standort Samedan habe den grossen Vorteil, dass die Infrastruktur für den Bau der Anlage wie auch für die Ableitung der Energie bereits vorhanden sei. Seitens der Projektgesellschaft solle aber nichts erzwungen werden, «vielmehr wollen wir mit dem Projekt Impulse setzen, Denkanstösse geben und pionierhafte Lösungen aufzeigen. Denn von nichts kommt nichts», so Nordmann abschliessend.

INFOBOX: Auch Infra Regionalflughafen Samedan hat Einsprache gegen PV-Anlage erhoben
Neben der IG «Nein zur Solar-Grossan­lage Samedan» hat auch die Infra­struk­turunternehmung Regionalflug­hafen Samedan, kurz Infra, eine Einsprache gegen die Samedner PV-Anlage eingereicht. Laut Mario Cavigelli, Alt-Regierungsrat und Präsident der Infra, stehe diese seit letztem Oktober in sporadischem Kontakt zu den Projektan­ten und habe in Bezug auf verschiedene Berührungspunkte am 10. April und zusammen mit der Engadin Airport AG eine Absichtserklärung abgegeben. «Diese betrifft im Wesentlichen, dass die Infra bereit ist, der PV-Anlage ein Durchleitungsrecht für die Energieab­leitung ab PV-Parzelle durch das Flugplatzareal bis zu einer Trafostation auf dem Flugplatzareal zu erteilen», schreibt Cavigelli auf Anfrage. Ein solches «Kabelrohr» dürfe die Infrastruk­tur und den Flugbetrieb aber weder während der Bauzeit der PV-Anlage noch danach beeinträchtigen.

Dann will die Infra sicherstellen, dass zwischen der PV-Anlage und dem Flugplatzareal ein genügend grosser Abstand besteht, sodass sowohl der normale Langlauf-Loipenbetrieb als auch der Engadin Ski Marathon ohne Störung des Flugbetriebs durchgeführt werden können. Es geht um einen sicheren «Loipenkorridor», der beispielsweise ein Ausweichen von Langläuferinnen und Langläufern auf den Flugplatz ausschliessen soll.

Das dritte Hauptanliegen der Infra soll sicherstellen, dass von der PV-Anlage keine Blendwirkung oder andere Einflüsse auf den Flugverkehr ausgehen. «Es geht darum, dass das Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl formell erklärt, dass die Betriebskonzession für den Flugplatz Samedan durch das Erstellen der PV-Anlage nicht beeinträchtigt wird.»
Laut Cavigelli seien diese Punkte vorverhandelt worden und sollen, einmal im Detail ausgehandelt, in entsprechen­den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Baugesuchstellerin einerseits, der Infra RFS und der Engadin Airport AG andererseits festgehalten und unterzeichnet werden. «Die Infra geht davon aus, dass es noch während der laufenden Bearbeitungsfrist bei der zuständigen Behörde zur Einigung und Unterzeichnung einer Vereinbarung kommen kann. Gelingt dies, wird die Einsprache aus der Sicht der Infra gegenstandslos und zurückgezogen.»

Die Einsprache der Infra sei erfolgt, um den laufenden Verhandlungen zu diesen drei Themen die nötige Zeit zu geben. «Hätte die Infra diese Einsprache nicht erhoben, hätte dies unter Umständen ihre Rechtsposition und die Rechtsposition der Engadin Airport AG geschwächt.» Samt dem Risiko der Beeinträchtigung der von den Gemeinden beauftragten Gewährleistung einer sicheren Flugplatzinfrastruktur, so Cavigelli.

Informationen zur Infra unter: www.unserflugplatz.ch
Weiterführende Informationen zum Projekt unter: www.engadin-solar.ch

Autor und Foto: Jon Duschletta