Am 11. Februar berichtete diese Zeitung darüber, dass das Spital Oberengadin in Samedan die Vorgaben des Arbeitsgesetzes nicht einhält und insgesamt 21 zusätzliche Stellen geschaffen werden müssen. Zwei Tage später veröffentlichte die Zeitschrift «Beobachter» detaillierte Zahlen aus den Kontrollberichten des KIGA, die der Redaktion zugespielt worden waren. Allein bis Ende Juli 2023 wurden 1171 Verstösse gegen das Arbeitsgesetz festgestellt; ein Jahr zuvor waren es fast 2000 gewesen. Eine ehemalige Dozentin für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht sprach gegenüber dem «Beobachter» von «gravierenden Missständen in hoher Zahl».
SGO ein Einzelfall?
Da stellt sich die Frage, ob dies ein alleiniges Problem des Spitals Samedan ist, oder ob auch bei anderen Spitälern im Kanton Verstösse festgestellt worden sind. Der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer sagt dazu, dass das Arbeitsgesetz wenig Spielraum für kleine Betriebe im Gesundheitswesen mit 24-Stunden-Betrieb lässt. «Dies ist gerade auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel in der ganzen Schweiz eine Herausforderung.» Das Ausmass der Verstösse gegen das Arbeitsgesetz bei der SGO sei wohl eher der Zählweise geschuldet, sprich, es gehe immer um die gleichen Fragen in der Dienstplanung, welche dann natürlich alle Mitarbeitenden betreffen würden, die einen bestimmten, nicht arbeitsgesetzkonformen Dienst leisteten. «So betrachtet ist es nicht überraschend, aber es zeigt die Herausforderungen, welche eine dezentrale Gesundheitsversorgung in einem Gebirgskanton mit dünner Besiedelung mit sich bringt.»
Gian Reto Caduff, Leiter des kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), antwortet auf diese Frage: «Da auch andere Spitäler im Kanton mit denselben Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu kämpfen haben, konnten und können auch in anderen Institutionen die arbeitsgesetzlichen Vorschriften nicht vollumfänglich eingehalten werden.»
Gian Reto Caduff, Leiter des kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), antwortet auf diese Frage: «Da auch andere Spitäler im Kanton mit denselben Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu kämpfen haben, konnten und können auch in anderen Institutionen die arbeitsgesetzlichen Vorschriften nicht vollumfänglich eingehalten werden.»
In der Tat war zumindest im Sommer 2023 auch das Kantonsspital in Chur davon betroffen. In einem Artikel in der «Südostschweiz» waren die teils massiven Überstunden der Ärztinnen und Ärzte ein Thema. Nach schweizerischem Arbeitsgesetz sind maximal 50 Stunden pro Woche zulässig, unter bestimmten Voraussetzungen kann dies um bis zu vier Stunden verlängert werden. Pro Tag sind jedoch maximal zwei Stunden Überzeit möglich, pro Jahr höchstens 140 Stunden.
Der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte lancierte im Frühjahr 2023 eine Forderung nach dem 42+4-Prinzip: Danach soll die wöchentliche Arbeitszeit für Assistenzärzte künftig durchschnittlich 42 Stunden Dienstleistung rund um die Patientenbetreuung betragen. Zusätzlich sollen die Assistenzärzte Anspruch auf wöchentlich mindestens vier Stunden strukturierte Weiterbildung haben. Diese würde ebenfalls als Arbeitszeit gelten. Verschiedene Spitäler in der Schweiz haben dieses Modell in der Zwischenzeit bereits eingeführt.
Peyer: «Synergie stärker nutzen»
Für Peter Peyer ist klar, dass Gesundheitsinstitutionen weder auf Kosten des Personals noch der Patientensicherheit agieren dürfen. In Zukunft sei es sicher angezeigt, dass die einzelnen Institutionen in den Regionen noch stärker Synergien nutzen. Zudem werde man mit allen Betroffenen diskutieren, welche Leistungen künftig in den Regionen noch angeboten werden können. «Eine gute Grundversorgung braucht es aber auch weiterhin in den Regionen des Kantons. Diese ist nicht kostenlos zu haben», sagt Peyer.
Die EP/PL befasst sich in der Ausgabe vom Dienstag, 25. Februar noch einmal intensiv mit dem Thema der Verstösse gegen das Arbeitsgesetz. Sie hat unter anderem mit Rolf Gilgen, dem CEO ad interim der SGO gesprochen und wollte von ihm wissen, wie die Beanstandungen des Arbeitsinspektorats aufgearbeitet werden. In einem weiteren Gespräch mit Joachim Koppenberg, Direktor des Gesundheitszentrums Unterengadin, zeigt sich, dass auch kleinere Spitäler die Vorgaben einhalten können, sofern sie den Aufwand dafür nicht scheuen. Eine dezidierte Meinung vertritt der Branchenverband der Pflegepersonen: «Es geht nicht an, dass Fachkräftemangel zu arbeitsrechtlichen Verstössen führt.»
Autor: Reto Stifel
Foto: www.shutterstock.com/Juice Verve
Autor: Reto Stifel
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