Der Borkenkäfer und Peach Weber waren in den 80er-Jahren in aller Munde. Der eine hat sogar über den anderen ein Lied geschrieben. Danach verschwanden beide etwas aus der öffentlichen Wahrnehmung, um dann in den letzten Jahren zu einem eigent­lichen Revival anzusetzen. Bei Peach Weber ist das jetzt etwas weniger schlimm als beim Käfer, denn Weber ist als Komiker doch meistens lustig. Beim Käfer sieht das etwas anders aus. Lustig kann man ihn nicht nennen, aber strategisches Vorgehen liegt ihm durchaus. So sehr, dass gar Giorgio Renz, der Regionalforst-Ingenieur des Amtes für Wald und Naturgefahren in Scuol, eine gewisse Bewunderung für den Käfer nicht verbergen kann.

Aber zuerst mal zum Grundsätz­lichen: Der Borkenkäfer, «Ips typographus» mit wissenschaftlichem Namen oder «Buchdrucker», die genauere deutsche Bezeichnung, lebt grundsätzlich im Wald. Dies schon immer und zum grossen Teil auch mehr oder weniger unauffällig. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen hat er sich darauf spezialisiert, kränkelnde oder kranke Bäume anzubohren und sich dann zwischen Rinde und Stamm durchzufressen. So sterben diese Bäume schneller ab und machen den jungen nachwachsenden Platz, dienen noch als Futterstelle für andere Kleintiere oder als Nistplatz für Spechte. 

Buchdrucker liebt Fichte
Dann ist es so, dass der Buchdrucker einen relativ eingeschränkten Speiseplan hat, dort steht nur «Fichte» drauf. Zwar hätten auch Waldföhren ab und an mit Käfern zu kämpfen, erklärt Giorgio Renz, jene Käfer würden sich aber weniger schnell vermehren und hätten weniger Generationen. Hin und wieder befällt der Lärchenwickler die Lärche, allerdings kann ihr dieses Tierchen nur wenig anhaben, und sie treibt im nächsten Jahr wieder aus, als wäre nichts geschehen. Die Waldföhre schliesslich hat sich auf Extremstandorte spezialisiert, heisst, heiss und trocken, Orte also, wo zum Teil auch Schädlinge Mühe haben. Sie sei quasi die Eiche der einheimischen Nadelbäume, lobt Renz.

Gesunde Fichten sind an und für sich nicht gefährdet, sie wehren den Borkenkäfer ab. Dazu pressen sie im Moment des Befalls Harz durch die vom Käfer gebohrten Löcher und vertreiben den Eindringling so. Deshalb wenden sich die Buchdrucker lieber den kranken oder schwachen Fichten zu. Das Problem allerdings liegt einerseits im Klimawandel und andererseits in extremen Wettersituationen. Die Fichte ist ein Flachwurzler, hat also bei längeren, trockenen Phasen Mühe, genügend Feuchtigkeit aufzunehmen, was zu einer Schwächung führen kann. Starke Winde oder Stürme können zu Windwurf führen oder die Bäume teilweise entwurzeln und ebenfalls schwächen. Auch Schneedruck im Winter, vor allem von grossen Massen Nassschnee, wirkt bei der Fichte nicht gesundheitsfördernd. All jene Ereignisse also befeuern den Befall von Borkenkäfern. 

Massenangriff auf den Baum
Doch ab und an nehmen sich die Käfer auch kerngesunde Bäume vor. Dazu führen sie eigentliche Massenangriffe durch. So schaffen es die Bäume nicht mehr, genügend Harz zu produzieren, um die Räuber abzuwehren. Die Mobilisierung bei den Käfern erfolgt über Pheromone, das sind Duftstoffe, welche die Tiere in der Umgebung anziehen und sie zum entsprechenden Baum lotsen. Doch auch fürs Gegenteil stossen die Käfer Duftstoffe aus, dann nämlich, wenn der Baum schon gut besetzt ist und kein Platz und Futter mehr für andere Fresser und Bohrer vorhanden ist.

Um grosse Schäden zu vermeiden, ist es nun die Aufgabe der Förster, Forstwarte und Waldarbeiter, befallene Bäume aufzuspüren. Finden sie welche, bei denen die Käfer noch am Fressen sind, bringen sie diese samt den Tierchen weg und lagern sie an einem speziellen Ort. Nicht, dass sie die Käfer bei ihrer Ausbreitung noch unterstützen. Kommen sie zu spät und die Käfer sind bereits weitergezogen, denn in einem abgestorbenen Baum gibt’s nichts mehr zu fressen, lassen ihn die Förster stehen. Für die Biodiversität.

Befallene Bäume finden sie aufgrund leicht gelblicher Verfärbungen der Nadeln, allerdings ist es dann schon relativ spät. Weiter hilft die Erfahrung und eine Karte des vergangenen Befalls, weitere Schadensregionen aufzuspüren. Kommt dazu, dass die Käfer vor allem in der hochmontanen Stufe zwischen 1000 und 1800 Meter über Meer angreifen. Und dort vor allem auf der schattigeren Nordseite – innabwärts gesehen rechts. Das ist Fichtengebiet, da auf der Südseite generell mehr Lärchen wachsen. 

Zino findet die Käfer
Doch seit Neuestem müssen sich die Förster nicht mehr nur auf ihre Erfahrung und Karten verlassen, sondern können auf Zinos Nase vertrauen. Zino ist der Hund von Antonin Hugentobler, dem Forstbetriebsleiter der Gemeinde Scuol. Er hat den Hund in Zusammenarbeit mit Artenspürhunde Schweiz besonders geschult, sodass Zino Borkenkäfer aufspüren kann. Nach der intensiven und zeitaufwendigen Grundausbildung trainieren Antonin und Zino weiterhin wöchentlich mit Pheromonen, den Duftstoffen der Käfer. Während der Brutphase kann Hugentobler nun mit dem Hund durch die Wälder streifen und vom Borkenkäfer befallene Bäume suchen. Dabei geht er gezielt vor und sucht sich Orte aus, bei denen ein Befall wahrscheinlich ist. Zudem kann der Förster dem Hund den Arbeitseinsatz quasi befehlen, sodass Zino zwischendurch auch ganz normal durch den Wald spazieren kann, ohne zu arbeiten. Denn ein Spürgang ist intensiv für den Hund und dauert deshalb maximal eine Stunde. Sind die Nester, auf welche Art auch immer, gefunden, beginnen die Forstwarte mit dem Entfernen der befallenen Bäume. Dies auf einer Fläche bis zu den gesunden und starken «Randbäumen», die dann quasi als Burggraben den nächsten Befall abwehren können.

Antagonisten fressen Käfer
Wichtig ist es, Bäume aus Windwurf und Schneedruck möglichst schnell abzuräumen. Denn dort würden sich die Käfer besonders wohlfühlen, «Brutmaterial» nennt das Giorgio Renz. Die Käfer könnten sich dort ungestört vermehren und je nachdem auch gesunde Bäume im Umfeld befallen. 

Nicht immer müssen die Förster selber Hand anlegen, ab-, an- oder unterstützt werden sie auch vom Ameisenbuntkäfer, sogenannten «Käfer­anta­gonisten», welche die Borkenkäfer auffressen. Die Borkenkäferfallen stellen sie immer noch auf, sagt Renz. Allerdings dienen diese eher dazu, die Käfer zu zählen und Befall zu prognostizieren, als die Tiere tatsächlich zu beseitigen. 2022 sei ein schlimmes Borkenkäferjahr gewesen, erinnert sich Renz, momentan aber habe man die Situation ziemlich im Griff. Intensiv beobachten würden sie aber die Gebiete, in denen man sich keinen Befall leisten kann, wichtige Schutzwälder in erster Linie. Bleibt also zu hoffen, dass der Borkenkäfer nach seinem Revival wieder von der Bildfläche verschwindet, während Peach Weber ja durchaus noch etwas bleiben könnte. 

Autor: Jürg Wirth
Dieser Beitrag ist erstmals im Gästemagazin «Allegra» veröffentlicht worden.