Was war das für ein Fest vergangenen Sommer, die UEFA Women’s Euro in der Schweiz. Vier Wochen voller Emotionen, Rekorde, sportlicher Höchstleistungen und einer Schweizer Natio­nalmannschaft, die mit der erstmaligen Viertelfinalqualifikation ihrer Geschichte eine ganze Nation träumen liess. Es blieb allerdings beim Träumen, denn der amtierende Weltmeister Spanien war dann doch eine Nummer zu gross. Was bleibt, ist die Euphorie – und vor allem die Begeis­terung für den Frauenfussball. 

Dies belegen nun auch Zahlen, die der Schweizerische Fussballverband SFV vor ein paar Wochen veröffentlicht hat. Ende September registrierte der SFV 46 000 Spielerinnen, das sind 18 Prozent mehr als noch vor sechs Monaten. Auch die Anzahl weiblicher Trainerinnen, Funktionärinnen und Schiedsrichterinnen ist in den letzten sechs Monaten gestiegen. Eigentlich sehr erfreulich, doch beim genaueren Hinschauen zeigen sich grosse regio­nale Unterschiede.

Graubünden ja, Engadin nein
Schaut man nach Graubünden, sind die Zahlen ebenfalls gestiegen. Seit der Vergabe der UEFA Women’s Euro an die Schweiz vor gut zwei Jahren verzeichnet der Bündnerische Fussballverband BFV einen Anstieg von fast 58 Prozent bei den Spielerinnen. Aktuell sind 752 lizenzierte Mädchen und Frauen registriert – im April 2023 waren es noch 476. Blickt man in die Südtäler, sieht das Ganze etwas anders aus. Seit April 2023 sind drei neue lizenzierte Spielerinnen dazugekommen, 42 sind es heute total. Das liegt hauptsächlich daran, dass es im Engadin und den Südtälern Bergell und Puschlav nur eine aktive Frauenmannschaft gibt, den FC Celerina Frauen (4. Liga). Es gibt zwar auch in den anderen Vereinen Mädchen, die Fussball spielen, die sind aber noch im Juniorenalter, wo sie zusammen mit den Jungs spielen. 

FC Celerina nicht vor Ort
Am Weltmädchenfussballtag in Chur, einem Anlass, der vom Ostschwei­ze­rischen Fussballverband OFV zusam­men mit dem Bündnerischen Fussballverband BFV organisiert wurde und bei dem junge, fussballbegeisterte Mädchen aus der gesamten Ostschweiz an einem Turnier gegeneinander spielten, waren die Frauen des FC Celerina nicht vertreten. «Es sind Herbstferien, viele meiner Spielerinnen sind gar nicht da», so Kurt Rohr, Trainer der Celerina-Frauen. Das Interesse am Frauenfussball sei auch im Engadin grundsätzlich da, sagt er weiter, sein Kader zähle momentan 25 Spielerinnen. Viele von ihnen könnten allerdings nicht regelmässig ins Training kommen, da sie wegen Studium, Lehre oder sonst einer Ausbildung unter der Woche gar nicht im Tal sind. Das ist ein bekanntes Problem, nicht nur beim FC Celerina. Da die Chance, aus dem Engadin oder den Südtälern heraus eine Karriere im Frauenfussball zu starten, sehr klein ist, müssen Lösungen her. Dessen ist man sich auch beim BFV bewusst.

Neue Studie soll helfen
Nebst den Turnieren auf der Sportanlage Obere Au stand am Vormittag im Rahmen des Weltmädchenfussballtages auch ein öffentliches Forum auf dem Programm: Frauen im Fussball – gekommen, um zu bleiben. Verschie­dene Referate, ein Videogespräch mit der Bündner Nationaltorhüterin (und Spielerin des FC Chelsea) Livia Peng oder auch ein Podiumsgespräch mit Frauen, die in unterschiedlichen Funktionen im Fussball tätig sind. Ein Forum, das ganz klar von Frauen geprägt war. Kurz vorgestellt wurde dort auch eine neue Studie, die der BFV zusammen mit Studentinnen und Studenten der Fachhochschule Graubünden (FHGR) ausgearbeitet hat. Auch beim BFV kennt man diese Zahlen und sieht nun Handlungsbedarf, so Claus Caluori, Präsi­dent des BFV. «Wir wollen den jungen Mädchen und Frauen die Möglichkeit bieten, regelmässig und professioneller trainieren zu können, in allen Teilen des Kantons.» Eine Idee, die geprüft wird, ist, dass man vier verschiedene Regionen im Kanton definiert, wo man die Spielerinnen zwei Mal pro Woche zusammenziehen könnte, um in einem professionelleren Umfeld trainieren zu können. Das Engadin könnte eine dieser vier Regionen sein. «Zudem wollen wir vermehrt in die Schulen reingehen und öfters Turniere durchführen, um weitere interessierte Mädchen zu akti­vieren», so Caluori weiter. Graubünden sei zwar flächenmässig der grösste Kanton der Schweiz, aber auch der weitläufigste, was alles etwas schwierig macht. Weiter soll eine Frauenfussball Community aufgebaut werden, wo sich Frauen, die im Fussball tätig sind oder sich dafür interessieren, austauschen können. Mitte Dezember wird die Studie der Öffentlichkeit präsentiert, mit dem Ziel, im Frühling 2026 mit der Umsetzung der Studie beginnen zu können – sobald klar ist, wie diese Massnahmen und Konzepte finanziert werden können.