Gut 180 Seiten stark ist die Jubiläumsausgabe des Magazin piz zu dessen 30. Geburtstag. Der coronabedingte Ausfall der diesjährigen Sommerausgabe bewog die Herausgeberin Urezza Famos, ins piz-Archiv hinabzusteigen, die in den letzten drei Jahrzehnten entstandenen rund 780 Reportagen zu sichten, um daraus, wie Famos im Editorial der Jubiläumsnummer schreibt, «ein Sammelband der besten Reportagen» zu einem «Zeitdokument aus unserer Region» zu erstellen.
Am Samstag feierte Urezza Famos mit geladenen Gästen im – wiederum coronabedingt kleineren Rahmen – das Jubiläum in Nairs. Nairs deshalb, weil das interdisziplinäre Kunsthaus in Scuol und das Magazin piz über die letzten Jahre viele Gemeinsamkeiten an den Tag gelegt haben und gemäss Christof Rösch, dem Direktor, künstlerischen Leiter von Nairs und Lebenspartner von Urezza Famos, wie Geschwister unterwegs sind: «piz und Nairs haben viel kooperiert, sind ungefähr gleich alt und thematisch immer wieder parallel unterwegs, was Kultur und Region betrifft.» Urezza Famos hat ihrerseits mitgeholfen, Nairs aufzubauen und auszugestalten und war 2005 bei der Gründung der Fundaziun Nairs deren erste Präsidentin.
An der Jubiläumsveranstaltung kamen Not Carl, er war damals Scuoler Gemeindepräsident und auch Verwaltungsratspräsident von Radio Piz Corvatsch, die Journalistin und Filmemacherin Susanna Fanzun, Theologe und Autor Romedi Arquint und, als Kabarettist, auch Flurin Caviezel zu Wort. Not Carl bezeichnete das Magazin unter der Ägide von Urezza Famos als «wichtigen Zeitzeugen in der Kulturachse zwischen dem Bergell und dem Unterengadin». Susanna Fanzun ihrerseits wies darauf hin, dass sowohl das allererste piz wie auch die aktuelle Jubiläumsausgabe – nomen est omen – Bergspitzen auf dem Umschlag abgebildet haben. «Urezza Famos hat es mit dem Magazin piz und dank den verschiedenen Perspektiven der Schreibenden geschafft, eine verbindende Brücke zwischen dem Engadin und der weiten Welt zu schaffen. «Abgesehen davon, dass 30 Jahre für ein Medienprodukt ein enormes Alter ist, habe ich die Sicht von innen, aber auch die Sicht von aussen auf unsere Region, immer als befreiend wahrgenommen.»

Die EP/PL hat am Rand der Veranstaltung die «Kämpferin für die Kultur», Urezza Famos, zum Gespräch getroffen:

«Engadiner Post/Posta Ladina»: Urezza Famos, Gratulation zu 30 Jahren Magazin piz. Was war Ihre damalige Motivation?
Urezza Famos*: Danke. Vor 30 Jahren war das Magazin, im Gegensatz zu heute, ja noch ein Bestandteil von Radio Piz Corvatsch, eine Art Programmheft. Erst nachdem die Besitzverhältnisse gewechselt und die Acla da Fans SA ins Spiel kam, entschied der damalige Verwaltungsrat der Piz Corvatsch AG, das Magazin aufzugeben. Hier habe ich Einfluss genommen und mit anderen zusammen versucht, aus dem Bestehenden heraus ein neues Magazin in einem neuen Format zu machen, ein Magazin mit vertieften Reportagen. So etwas gab es damals nämlich noch nicht, trotz einer guten Medienlandschaft in Graubünden. Von Beginn an nahm auch das Gleichgewicht von Bild- und Textqualität einen hohen Stellenwert ein. Erst als dann im Jahre 2000 auch die Mehrheitsaktionärin Acla da Fans SA das Magazin aufgeben wollte, habe ich als Herausgeberin die alleinige Verantwortung übernommen.

Geschah das damals aus unternehmerischen oder aus kulturellen Beweggründen?
Ganz klar aus kulturellem und gesellschaftlichem Interesse und Hintergrund. Das Magazin piz ist ja kein reines Kulturmagazin, sondern ein Magazin, welches sehr viel aus der Region widerspiegelt, Kultur, Natur, Geschehnisse, etc. Wir geben immer auch Menschen eine Stimme, die sonst eher keine mediale Aufmerksamkeit erfahren. Zudem ist mir die Vertiefung wichtig. Vielleicht kommt das noch aus der Radiozeit, wo alles schnell und oberflächlich passiert, so nach der Art – jetzt und schon ist es wieder vorbei – das hat mich immer gestört. Mir gefällt das Beständige, das Nachhaltige eindeutig besser. Ich arbeite ja schon lange nach dem Grundsatz, möglichst nachhaltig zu wirken. Reich wird man mit einem solchen Magazin aber natürlich trotzdem nicht.

Umso grösser wohl die Herausforderung, das Magazin über die letzten zwei Jahrzehnte erfolgreich herauszugeben?
Den eigenen Pfad nicht zu verlassen, das war und ist mir wichtig. Wir leben hier in einer touristischen Region, sind aber kein Magazin nur für unsere Gäste. Wir wollten immer auch ein Magazin für die Einheimischen sein. Das bedeutet aber auch, dass man sich immer wieder gegen die Kommerzialisierung wehren muss. Es ist ein steter Kampf, mit Überzeugung Nein sagen zu können gegenüber kommerziellen Ansprüchen von Aussen, beispielsweise PR-Artikel über dies oder das schreiben zu müssen. Ein heute leider oft praktiziertes Spiel: Reportage gegen Inserat. Das tun wir nicht und ich glaube, genau diese völlige Unabhängigkeit ist es auch, welche das Magazin piz so einzigartig macht. Dies ist ein hohes Credo, für das ich oft habe kämpfen müssen, auch intern gegenüber der Verkaufsabteilung.

Das beweist wohl auch die Jubiläumsausgabe, die nur dank Crowdfunding überhaupt realisiert werden konnte.
Die Jubiläumsausgabe fiel ausgerechnet in die erste Corona-Phase, weshalb ich sie terminlich vorgezogen habe. Weil wir nicht reisen konnten, bin ich ins Archiv und habe begonnen, Inhalte aus den letzten 30 Jahren zusammenzutragen. Besonders erfreut war ich dann allerdings über die unglaubliche Solidarität seitens der Abonnenten, die allesamt auch bereit waren, für diese Ausgabe fast den doppelten Preis als normal zu bezahlen.

Wie sieht die Zukunft aus?
Zukunft ist immer ein ungewisser Faktor. Wir vollziehen gerade einen grossen Wechsel im Team. Die Jubiläumsausgabe ist auch so etwas wie Abschluss und Neuanfang. Ich bin aber sehr zufrieden mit der neuen Lösung und habe mich selber auch mehr integrieren können. Ich war es ja, die vor zwei Jahren mit dem Einbezug einer Verkaufsagentur einen strategischen Fehler begangen und dabei gemerkt hat, dass man sich mit dem Produkt voll und ganz identifizieren muss. Nahe sein, an den Leuten hier im Tal, an den Geldgebern, am regionalen Geschehen. Ich stehe alleine da. Das stellt immer auch ein gewisses Risiko dar. Ich schaue mich um und strecke meine Fühler aus, vorzugsweise in Richtung von Partnerschaften. Wer weiss, vielleicht öffnet sich irgendwann mal ein Türchen und es ergibt sich etwas, aber es muss für beide Seiten stimmig sein.

*Urezza Famos ist Unternehmerin und lebt in Vnà im Unterengadin.

Autor und Foto: Jon Duschletta