Eine heimische Galeristin mit Flair für zeitgenössische Kunst und historische Engadinerhäuser, eine kanadische Künstlerin mit Schweizer Wurzeln im Bann von Feuer und Rauch und ein grosser amerikanischer Maler und seine plakativen Frauenporträts. Das erwartet Besucher aktuell in der Zuozer Galleria Monica De Cardenas.
Der Reihe nach. Da ist die einzige Anwesende, Monica De Cardenas. Sie wird als Tochter einer Zürcherin und eines Mailänders in der lombardischen Metropole geboren. Als in den 1970er-Jahren in Mailand, ausgehend zuerst von rechts- und später auch linksradikalen Gruppen, Terrorismus aufflammt, entscheidet sich die Familie, diesen unruhigen Zeiten, den «Anni di Piombo» wie sie später benannt werden, zu entfliehen und ins Engadin zu ziehen, wo die Familie bereits eine Ferienwohnung besitzt.

Im Dreieck Mailand-Zuoz-Lugano
So wächst Monica De Cardenas in den nächsten Jahren in St. Moritz auf, besucht in Samedan an der damaligen Mittelschule ELAS das Gymnasium und studiert später in Zürich Kunstgeschichte. «Dort habe ich während des Studiums in einer Galerie gearbeitet, bin danach meiner Italien-Sehnsucht gefolgt und nach Mailand zurückgekehrt und habe dort meine erste eigene Galerie eröffnet.»
Der Zufall will es, dass sie im Engadin, wo sie weiterhin regelmässig Ferien macht, ihren zukünftigen Mann, einen Tessiner kennenlernt. So entsteht das Dreiecksgeflecht mit De-Cardenas-Galerien in Mailand, Zuoz und seit Kurzem auch in Lugano. Wobei es ihr der Standort Zuoz besonders angetan hat. Rückblickend betrachtet liegt einer der Gründe dafür in der historischen Chesa Albertini, damals ein in die Jahre gekommenes Privathaus nahe der kleinen katholischen Kirche Santa Chatrigna gotischen Ursprungs.
Monica De Cardenas sieht die Liegenschaft, erkennt deren Potenzial und ergreift die Gelegenheit, diese zu erwerben. Sie lässt das Haus vom St. Moritz Architekten und «Seelenklempner» historischer Häuser, Hans-Jörg Ruch, in den Jahren 2005 und 2006 mit Bedacht, aber wirkungsvoll zur heutigen Galerie umbauen.

Internationales Kunstprogramm
«Immer schon habe ich die alten Engadinerhäuser geliebt», sagt Monica De Cardenas, während sie im hell beleuchteten Suler steht und ihren Blick von der alten, zweiteiligen Eingangstüre über schlicht verputzte Kalkwände und urige Holzböden und Holzdecken schweifen lässt. «Und schnell habe ich gemerkt, dass ich hier viele Kunstinteressierte und Sammler treffen kann.»
Heute zeigt sie, basierend auf ihrer Anfangszeit als Galeristin in Mailand, ein vorwiegend internationales und durchweg zeitgenössisches Kunstprogramm. Sie vertritt neben bekannten internationalen Grössen wie Alex Katz, Xerxes Ach oder Francesca Gabbiani auch Schweizer Künstlerinnen und Künstler wie den erst kürzlich verstorbenen Markus Raez, dessen letzte Ausstellung sie im Sommer 2019 in ihrer Zuozer Galerie beherbergen durfte, aber auch Franz Gertsch und dessen Tochter Silvia, das Künstlerduo Lutz & Guggisberg oder Christine Streuli.

Katz und Gabbiani
Monica De Cardenas zeigt in Zuoz aktuell und noch bis in den Sommer eine Doppelausstellung. Da sind einerseits ausgewählte Exponate des 92-jährigen amerikanischen Künstlers Alex Katz. Diese waren schon Teil seiner letzten Winterausstellung, behandeln das Thema «par excellence» und bestehen aus Frauenporträts. Der in New York geborene Sohn russisch-jüdischer Emigranten gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten zeitgenössichen Maler im Bereich des modernen Realismus und der Pop Art.
Monica De Cardenas dreht sich im ehemaligen Heustall der Chesa Albertini einmal um die eigene Achse und sagt: «Diese Werke von Alex Katz zeigen auch die Idee der Ausstellung, nämlich die Entstehung seiner Werke nachverfolgen zu können.» Sie meint damit Katzs Eigenart, ein Werk jeweils mit einer Porträtzeichnung des Models zu beginnen, dieser eine kleine Ölstudie nachzureichen und, noch bevor er sich an das eigentliche Originalbild macht, noch eine cartoonähnliche Zeichnung im späteren Originalformat zu fertigen.
Alex Katz hat laut Monica De Cardenas «eine zeitgemässe Figuration erfunden». Seine Werke in der Galerie in Zuoz kommen wie eindimensionale Werbebilder daher und stehen in ihrer plakativen Malweise im krassen Gegensatz zu den in Mischtechnik aufgebauten Collagen der dritten Figur der aktuellen Ausstellung, Francesca Gabbiani. Sie ist 1965 in Montreal geboren, in Genf aufgewachsen und hat dort die Ecole Supérieure des Beaux Arts besucht. Zwischen 1993 und 1995 wurde sie drei Mal in Folge mit dem Eidgenössischen Kunstpreis ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet heute in Los Angeles.

Bilder wie aus einem Inferno
In den unterirdischen Galerieräumen, dem ehemaligen Stall und den Kellerräumen leuchten in grellem Gelb und Rot, in orangefarbenen Tönen und eingefasst von harten, schwarzen Konturen, apokalyptisch anmutende Brandszenen von den Wänden. Francesca Gabbiani schafft es dank gemalten Hintergründen und filigranen, mehrschichtig als Collage aufgebauten und scherenschnittähnlich ausgestalteten Vordergründen Szenen zu schaffen, welche verheerenden Brandherden in Livebildern sehr ähnlich sind. «Spectacle of LA» heisst die Bilderreihe aus dem Jahr 2019, und für den Eindruck des perfekten Infernos fehlt einzig beissender Rauch in Nase und Augen, knisterndes Holz, krachendes Gebälk und sengende Hitze.

Die Galleria Monica De Cardenas in der Chesa Albertini, Aguêl 41 in Zuoz, ist jeweils dienstags bis samstags von 15.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. www.monicadecardenas.com

Autor und Foto: Jon Duschletta