Weltwoche-Verleger und Chefredaktor Roger Köppel befindet sich zurzeit in den Ferien im Oberengadin. Und weil er – eine altbekannte Journalistenkrankheit – Ohren und Augen vor möglichen Scoops auch in der Freizeit nicht verschliessen kann – hatte er auf seinem Video-Blog «Weltwoche-Daily» am Montagmorgen Folgendes zu berichten: Ihm sei zu Ohren gekommen, dass als Skifahrer getarnte Kantonspolizisten in Oberengadiner Sportgeschäften Wintersportausrüstungen mieten würden und am Abend, wenn sie das Material zurückbrächten, einigermassen aufdringlich darauf drängten, dass das Personal ihnen die Ware verkaufe. In zwei Fällen hätten sich diese Polizisten, Köppel nennt sie «Agents Provocateurs» zu erkennen gegeben und die Geschäfte wegen Verstoss gegen die Covid-Regeln gebüsst. Für Köppel wäre damit eine neue Dimension der Corona-Diktatur erreicht. Wenn Polizisten in Erscheinung treten, um Leute zu einem Vergehen zu verführen, seien ganz gefährliche Linien überschritten worden. Allerdings ist ihm diese Geschichte nur erzählt worden, mit Berufung auf zwei, voneinander unabhängige Quellen. «Dem muss man nachgehen», sagte Journalist Köppel in die Kamera im Wissen, dass die Faktenlage eher dünn ist.
Ja, dem muss man nachgehen. Denn sollte sich diese Geschichte bestätigen, wäre das Vorgehen in der Tat ein Skandal. «Wir können Sie beruhigen, eine derart hinterhältige Kontrollart wendet die Kantonspolizei Graubünden nicht an», sagt Mediensprecher Markus Walser auf Anfrage der EP/PL. Mitarbeitende der Kapo hätten verschiedene Sportgeschäfte kontrolliert. Mehrheitlich hielten sich diese an die Bestimmun-gen des Bundes. Wo nicht, seien Mängel mit einem aufklärenden Gespräch korrigiert worden. «Bis jetzt mussten wir noch kein einziges Sportgeschäft im Oberengadin wegen Verstössen gegen die Covid-Bestimmungen zur Anzeige bringen.» Sind die «Agents Provocateurs» eventuell in den Reihen der Gemeindepolizei St. Moritz zu suchen, die für die Gemeinden St. Moritz, Pontresina und Silvaplana zuständig ist? Gemeindevorstand Michael Pfäffli winkt ab. Kontrollen würden ausschliesslich von uniformierten Beamten durchgeführt und rapportiert. «Unsere Gemeindepolizisten sind sicher nicht als Agents Provocateurs im Einsatz. Entsprechende Behauptungen sind haltlos.»
Rückfragen bei Sportfachgeschäften bringen ebenfalls keine neuen Erkenntnisse, niemand hat so etwas erlebt. Einzig Conradin Conrad vom Skiservice Corvatsch weiss von einem Fall in der Filiale in Pontresina, wo ein Gast am Dienstag fragte, ob er einen Schneeschuh, den er mieten wollte, nicht gleich auch kaufen könne. «Wir haben ihn dann auf unser Call-und-Collect-Modell hingewiesen, das hat ihn aber nicht interessiert und am Schluss hat er weder gemietet noch gekauft.»
Was nun? Eine Rückfrage beim Kollegen Köppel zeigt, dass die Recherchen auch noch nicht viel weiter gediehen sind. «Wir werden nachhaken. Spätestens am Donnerstag in der Weltwoche steht’s», antwortet er. Dort möchte ich es aber nicht lesen. Denn mein Berufsstolz wäre erheblich angekratzt, wenn ich diese lokale Geschichte im Weltblatt und nicht in der Zeitung der Engadiner finden würde. Ich bin gespannt, ob es diese «Agents Provocateurs» tatsächlich gibt, oder ob Roger Köppel einfach die Gäule durchgegangen sind. Affaire à suivre.

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Zaugg