Eines haben die Brüder Patrik und David Koller und ihr Kollege David Pröschel in der Vergangenheit beweisen müssen: Durchhaltewillen. Vor rund dreieinhalb Jahren hat diese Zeitung erstmals darüber geschrieben, dass die gebürtigen La Punter Patrik und David Koller sowie David Pröschel einen Weltrekord-Versuch am 6893 Meter über Meer gelegenen Vulkan Ojos del Salado in Chile planen. Mit einem auf einen Elektroantrieb umgerüsteten Aebi Mehrzweck-Transporter wollen sie auf den Vulkangipfel fahren. Etwas, was vor ihnen noch nie jemand geschafft hat, auch nicht mit einem konventionellen Verbrennungsmotor. Der Weltrekord-Versuch ist aber nur ein Teilziel und nicht mehr als Mittel zum Zweck. Die eigentliche Absicht besteht darin, einen serienreifen, elektrobetriebenen Mehrzweck-Transporter auf den Markt zu bringen, und so die E-Mobilität im Kommunal- und Landwirtschaftsbereich oder in den Skigebieten zu fördern. 

 

Anstatt Diesel zwei E-Motoren 

Die Mission auf den Vulkangipfel in Chile läuft unter dem Namen «Peak Evolution», musste aber aus technischen Gründen bereits einmal von 2021 auf 2022 verschoben werden. «Wir haben uns das ursprünglich viel zu einfach vorgestellt und haben das Projekt stark unterschätzt», sagte Patrik Koller im Sommer 2021 gegenüber der EP/PL. Kürzlich nun mussten die drei Jungunternehmer bekannt geben, dass die Mission um ein weiteres Jahr verschoben wird. 

Der Prototyp basiert auf einem Occasion Aebi-Transporter VT 450. Das gesamte Fahrzeug wurde bis auf das Fahrwerk zerlegt und gereinigt, an Stelle des Dieselmotors wurden zwei E-Motoren mit einer Leistung von 380 PS eingebaut. Damit verfügt der «Terren» über doppelt so viel Kraft wie das Basisfahrzeug. Das Cockpit wurde neu designt, so dass dort drei Personen Platz finden werden. «Neben diesen technischen Eingriffen, war vor allem die Steuerungssoftware eine grosse Kiste. Wegen der Komplexität und den hohen Kosten», sagt Koller rückblickend. 

 

Fehlende Kriterien für Zulassung 

Doch all diese Herausforderungen konnten gemeistert werden, so dass der Prototyp Ende Herbst eigentlich für die Verschiffung nach Chile bereit gewesen wäre. Wäre, denn die Drei haben die Rechnung ohne die Schweizer Bürokratie gemacht. «In der ganzen Schweiz gibt es zwei Firmen, die die Strassenzulassung prüfen können. Kriterien für die Zulassung von elektrifizierten Transportern gibt es aber schlicht und einfach noch keine. Deshalb gingen kostbare Monate mit der Festlegung des Prüfumfangs verloren», sagt Koller. Neben den zusätzlichen hohen Kosten hat dieses Prozedere auch massiv länger gedauert, als ursprünglich angenommen. So mussten die Brüder Koller und David Pröschel im Herbst notgedrungen entscheiden, den Weltrekordversuch auf den Januar 2024 verschieben. Wegen den Wetterbedingungen am fast 7000 Meter hohen Vulkan, gibt es für den Weltrekordversuch nur ein begrenztes Zeitfenster, welches jeweils von November bis Januar dauert. 

 

Weitere Sponsoren finden 

Doch aufgeben ist für die Drei keine Option. «Wir wollen nun die Zeit nutzen, um den Prototyp in der Schweiz im realen Betrieb ausgiebig zu testen», sagt Patrik Koller. Das neue elektrische Antriebssystem soll beispielsweise im Arbeitsalltag des Werkdienstes einer Gemeinde oder im Skigebiet zum Einsatz kommen. Auch sollen weitere Sponsoren ins Boot geholt werden. Die Jung-Unternehmer haben ihre ganzen Ersparnisse in das Projekt gesteckt, haben ein Crowd-Funding lanciert und auch vom Bundesamt für Energie einen Förderbeitrag erhalten. Um sich finanziell über Wasser zu halten, gehen alle einer Nebenbeschäftigung nach. 

 

Viel Zuspruch 

«Wir erhalten von allen Seiten viel Zuspruch für unser Projekt», freut sich Koller, «aber bevor wir nicht die Einsatzfähigkeit unseres Fahrzeugs demonstrieren, können wir auch keine verkaufen und damit Geld verdienen.» Gemäss Koller sind die Kosten in allen Bereichen explodiert, die Überfahrt nach Chile und zurück kostet zum Beispiel drei Mal mehr als geplant. Unter anderem soll darum das Marketing weiter professionalisiert werden. Der renommierte Dokumentarfilmer Claudio von Planta begleitet das Projekt zusammen mit einem internationalen Filmteam, bis jetzt auf eigenes finanzielles Risiko. 

Für grosses Aufsehen hat der «Terren» an der diesjährigen Olma in St. Gallen gesorgt. Das Fahrzeug war während zehn Tagen in voller Expeditionsausstattung inklusive einem mobilen Solarkraftwerk ausgestellt. Sogar Bundespräsident Ignazio Cassis hat den drei einen Besuch abgestattet und sich gemäss Koller sehr beeindruckt gezeigt. 

Autor: Reto Stifel

Foto: z. Vfg