Manuel kann vom Schanzenspringen nicht genug bekommen. Ein ums andere Mal fährt der Zwölfjährige durch das Wäldchen in Gurlaina bei Scuol zum Ausgangspunkt des Skillsparks und düst mit Tempo den steilen Weg runter, liegt elegant in der Kurve, springt unerschrocken über eine Anhöhe. Seine Begeisterung ist durch den geschlossenen Helm lautstark zu hören. Manuel jauchzt. Auch Talis und Johann, seine Campfreunde, sind unermüdlich am Trainieren. Leiterin Nicole Tschenett schmunzelt: „Sie sind voller Energie“. An Elan mangelt es den Jungs wahrlich nicht. Aber ihre Technik hat noch Verbesserungspotenzial. Und dafür sind Nicole Tschenett und ihr Kollege Lukas Sprenger da. Während vier Tagen werden sie den Kindern alles beibringen, was diese zu Fahrtechnik und Sicherheit wissen müssen. „Das Wichtigste ist, dass die Kinder viel Spass am Biken haben“, meint Sprenger.

Stresslos mit der Familie biken

Die Kinder sind zwischen sechs und 13 Jahre alt. Während die älteren Jungs schon Sprünge üben, sind die teils jüngeren Mädchen in der Gruppe noch auf dem Platz vor dem Werkhof und lernen Slalom fahren, Hindernisse bewältigen und auf zwei Rädern ein schmales Brett zu überqueren. Auch sie sind konzentriert bei der Sache, wenn auch etwas leiser als Manuel und seine Kumpel. Es ist der erste Morgen des Camps und die Sonne scheint an einem fast wolkenlosen Himmel. Nach dem ersten Sicherheitscheck der Kindervelos und einer Vorstellungsrunde, geht es nun darum, auf spielerische Weise den sicheren Umgang mit dem Bike zu lernen. Wie bei der Skischule gibt es auch in der Bikeschule eine Art Fähigkeitszeugnis, den es zu erlangen gilt. In diesem Fall ist es der Velopass von Swiss Cycling mit verschiedenen Niveaus.

Den Vergleich mit der Skischule zieht auch Emanuela, eine Mutter von zwei Teilnehmerinnen. Sie spielt in der Nähe mit dem jüngsten Kind, das noch nicht das Campalter erreicht hat. „Der Bikecamp ist das Pendant zur Skischule im Winter“, sagt sie. Für sie sei es wichtig, dass ihre Kinder Sportarten wie Skifahren und Biken von Grund auf richtig lernen. Es sei zudem für alle entspannter, wenn die Kinder in Gruppen lernen und zwar von Profis. Die Familie aus Chur verbringt nun die ersten Ferientage im Unterengadin, weil dieser eine Kurs des Bike World Camps hier stattfindet. „Das Ziel ist, bald stresslos mit der ganzen Familie biken zu können“, sagt Emanuela.

Biken ist Trend

Nicht alle Eltern sind ins Engadin mitgekommen, einige der Kinder nutzen das Angebot mit Unterkunft und Verpflegung in der Jugendherberge sowie mit Ganztagesbetreuung. „Meine Eltern müssen arbeiten und ich darf endlich lernen, wie man richtig gut mit dem Bike springt und vor allem, wie man richtig landet“, erzählt Manuel, der im Kanton Glarus daheim ist. Nachmittags ist stets eine Biketour geplant, unter anderem kombiniert mit Bergbahnfahrt. Darauf freut er sich. „Da kann man auch etwas schneller fahren“, grinst der Junge. Talis übernachtet ebenfalls in der Jugendherberge. Er findet es toll, neue Freunde im Camp kennenzulernen. „Jumpen kann ich schon gut, aber eine Welle richtig fahren, das möchte ich jetzt lernen“, erzählt er.

Biken ist Trend. Mit den Bike World Camps werden die Biker von morgen für die Sportart begeistert. Im vergangenen Jahr haben über 1600 Kinder an einem der Camps von Swiss Cycling teilgenommen. Nicole Tschenett betreibt die Bikeschule Ride La Val in der Val Müstair und ist als einheimischer Guide mit dabei. „Scuol eignet sich perfekt für ein Bikecamp mit Kindern, denn hier hat man schöne, natürliche Strecken und auch Schanzen und Pumptracks“, sagt sie. Die Münstertalerin stellt fest, dass Biken oftmals unterschätzt wird. „Biken ist nicht gleich Velofahren“, sagt sie. Im Gelände unterwegs zu sein, verlange gewisse Fähigkeiten und Kenntnisse. Das spielerische Erlernen in der Gruppe motiviere die Kinder und es mache einfach Spass, gemeinsam in der Natur zu sein und sich zu bewegen.

 

Text: Fadrina Hofmann