Das Unesco-Welterbe Kloster St. Johann feiert heuer sein 1250-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass widmet das Museum seiner ältesten Klosterfrau, Künstlerin, Textilgestalterin und ehemaligen Priorin Pia Willi eine umfassende Retrospektive. Die Ausstel­lung «Pia Willi. Kunst und Kloster» läuft bis 6. April 2026 und bietet neue und überraschende Sichtweisen auf die spannungsreiche Beziehung zwischen Kunstschaffen und Klosterleben.

Die feierliche Eröffnung in der Klosterkirche Müstair wurde im Beisein aller acht Klosterfrauen durch Romina Ebenhöch, Museumsdirektorin und Kuratorin der Ausstellung begangen. Sie betonte die Bedeutung des Jubiläumsjahres und sagte, verbunden mit einem speziellen Dank an die Glaubensschwestern: «Dass das Gebäude noch immer existiert und belebt ist, haben wir, neben der Stiftung Pro Kloster St. Johann, vor allem der Klostergemeinschaft der Benediktinerin­nen zu verdanken.» Dabei nehme Schwester Pia eine besondere Rolle ein, schreibt die Museumsleitung in einer Medienmitteilung. Sie sei mit ihren 93 Jahren nicht nur die älteste Benediktinerin von Müstair, sondern sei in einem entscheidenden Zeitraum auch als Priorin tätig gewesen. 

135 Gäste ehrten Schwester Pia
Walter Anderau, Präsident der Stiftung Pro Kloster St. Johann, berichtete über seine langjährige Zusammenarbeit mit Schwester Pia Willi, die bereits vier Jahre im Amt war, als er die Stiftung übernahm. «Ich habe Schwester Pia als eine echte Change Managerin ken­nen­gelernt», sagte Anderau, «unter ihrer Regie wurden zahlreiche Restau­rierungsarbeiten im Kloster durchgeführt.» Er gestand, dass diese Arbeiten nicht immer einfach waren, da es galt, die Bedürfnisse der Klosterfrauen mit den Anforderungen der Archäologen in Einklang zu bringen. Er betonte, wie wichtig es der Stiftung gewesen sei, die Lebensumstände der Schwestern zu verbessern, die anfangs noch mittelalterlich anmuteten. Dank der Unterstützung zahlreicher Sponsoren sei dies gelungen. Im Anschluss überreichte Anderau dem Konvent einen ganzen Lachs von Swisslachs aus Lostallo als Geschenk. Auch Schwester Pia wurde an diesem Tag von der Präsenz von rund 135 Gästen überrascht und durfte unzählige Gratulationen entgegennehmen. 

Die vielfältige Kunst von Pia Willi
Pia Willi wurde 1931 in Zürich geboren, absolvierte ab 1950 eine fundierte Kunstausbildung an der Kunstgewerbeschule Zürich, der heutigen ZHdK, und der Kunstakademie André Lhote in Paris, bevor sie 1958 ins Kloster St. Johann eintrat.

Ihr vielfältiges Frühwerk und klösterliches Œuvre umfasst über 150 Zeichnungen, Aquarelle und Grafiken, über 90 Stickentwürfe für Engadiner Trachten sowie über 45 Illustrationen mit Szenen aus dem Klosterleben.

Trotz der anfänglichen Priorisierung klösterlicher Pflichten fand sie Wege, ihr künstlerisches Talent in das Klosterleben zu integrieren. So prägten die Stickereientwürfe von Schwester Pia über vier Jahrzehnte das Brauchtum im Engadin und darüber hinaus. Schätzungsweise 800 bis 1000 Trachten mit Stickereien sind in diesem Zeitraum und nach ihren Entwürfen entstanden.

Die Ausstellung macht erstmals eine Auswahl bisher nicht gezeigter Arbeiten öffentlich zugänglich. In den historischen Räumlichkeiten des Klosters treffen Zeichnungen aus ihren Studienjahren in Zürich und Paris auf Entwürfe für Trachtenstickereien sowie Originalzeichnungen der beliebten «Willi-Karten», die in den letzten 25 Jahren eine Auflage von sieben Millionen Stück erreichten. Die Ausstellung «Pia Willi. Kunst und Kloster» ist noch bis 6. April 2026 zu den regu­lären Museumsöffnungszeiten geöff­net. Zusätzlich zur Ausstellung wird ein spannendes Rahmenprogramm angeboten, mit Stickwettbewerb, digitalem Trachtenarchiv, Zeichenkurs, Sonderführungen und Video-Erzählungen. (ep/pd)