Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass Hansueli Wiesendanger am Flughafen in Samedan bekannt wie ein bunter Hund ist. Das liegt nicht etwa an seinen 191 Zentimetern Körpergrösse oder an den Schuhen der Grösse 51. Hansueli ist ein präsenter Mensch, engagiert, begeisterungsfähig. Wenn er auf dem Platz ist, wissen es alle Mitarbeitenden. Hansueli meldet sich bei Dienstantritt stets per Funk an und wünscht allen einen guten Morgen. Erst dann startet er in den Arbeitstag.
Im Sommer nimmt er sich zwei Wochen von der Arbeit in einer Getreidemühle frei, um die Segelfliegenden im Engadin zu unterstützen. Er zieht vor Ort die Seile aus und wieder ein und kontrolliert, ob alles seinen geordneten Gang geht.
Frei nehmen, um auszuhelfen
Hansueli ist in Winterhur aufgewachsen und wohnt in Dinhard. Wann immer er frei hat und Bedarf ist, trifft man ihn beim Segelflugbetrieb am Flugplatz Hegmatten bei Winterthur an. Schon als 14-Jähriger hat er hier gejobbt. Nach der obligatorischen Schulzeit hat er eine zweijährige Lehre in der Landwirtschaft absolviert. Hansueli lebt mit einer Behinderung, ausgelöst durch einen epileptischen Anfall. Dennoch darf er über kurze Strecken Auto fahren. Auf dem Areal des Flughafens Samedan ist der 55-Jährige immer mit dem Quad unterwegs.
Den Flughafen Samedan hat er durch die Sommerlager des Segelflugclubs Winterthur kennengelernt. Seither ist er jeden Sommer da und bis 2019 half er ab und zu auch im Winter aus. Im Winter hat er vor allem Gepäck ausgeladen und Flugzeuge eingewiesen.
«Ich kenne alle»
Was Hansueli am Flughafen in Samedan am meisten schätzt, ist die familiäre Atmosphäre. «Ich kenne alle, die schon länger dabei sind», erzählt er. Dazu gehört auch das Küchenteam, welches den Helfer während seines Aufenthalts gerne bewirtet. Hansueli arbeitet für Kost und Logis. Das reicht ihm völlig. Schiesslich ist es nicht nur irgendein Aushilfsjob.
Auch wenn der Winterthurer nicht im Engadin ist, hält er stets ein Auge darauf, was vor Ort läuft. Er checkt die Timetables, schaut sich täglich die Webcam an. «Wenn ich im Unterland bin, kontrolliere ich die Arbeit meiner Kollegen hier», sagt er lachend. Ab und zu rufe er an oder schreibe er eine Kurznachricht. «Aber sie machen es auch gut ohne mich», meint er.
Ein Quad mit dem eigenen Namen
Das Profilbild von Hansueli auf Whatsapp zeigt ihn vor einem grossen Flugzeug des Modells «Boeing 737». Flugzeuge interessieren und faszinieren ihn. Er hat sich inzwischen einiges an Fachwissen angeeignet, weiss zum Beispiel genau, wie viel Liter im Tank sein müssen, um starten zu können. In Kloten auszuhelfen, geht für ihn aber nicht, da er nicht weit laufen kann. In Samedan ist der Quad hingegen sogar mit seinem Namen beschriftet.
Eine Anekdote erzählt Hansueli gerne, nämlich davon, als er die Kollegen im Engadin überrascht hat. Ein Bekannter nahm ihn im Flugzeug mit, und plötzlich war Hansueli auf dem Platz. Klar, dass er sich wie gewohnt vor Ort per Funk angemeldet hat. Er muss immer noch lachen, als er an die überraschten Gesichter der Kollegen denkt.
Im Segelflugzeug darf er leider nicht mitfliegen, dafür ist er zu schwer. Ausserdem hätte er Schwierigkeiten, aus dem Flieger auszusteigen, denn 2020 hatte er ein Fahrradunfall, bei dem er sich den Oberschenkel gebrochen hatte. Es war das einzige Jahr, in all den Jahren, in dem Hansueli nicht am Flughafen Samedan arbeiten konnte. Die körperlichen Folgen des Unfalls spürt er bis heute.
Für jede Arbeit zu haben
Solange es die Gesundheit von Hansueli zulässt, wird er weiterhin jeden Sommer auf dem Flugplatzareal in Samedan anzutreffen sein. «Ich werde eingesetzt, wo gerade Hilfe nötig ist», erzählt er. Wenn wenig läuft, verkleinert er auch mal alte Tisch- und Leintücher, um sie als Putzlumpen für die Werkstatt zu verwenden. Auch diese Arbeit verrichtet er engagiert und speditiv. «Es ist immer eine Freude, Hansueli bei uns zu haben», sagt Christian Gorfer, Geschäftsleitungsmitglied Engadin Airport. Die ganze Mannschaft und die Segelflieger würden sich jedes Jahr auf ihn freuen. So wie Hansueli sich morgens zum Dienstantritt meldet, so verabschiedet er sich abends auch wieder per Funk. Meistens ist er um 18 Uhr fertig, dann geht’s zurück in die Pension in La Punt Chamues-ch.
Überraschungsfest für den Jubilar
In 30 Jahren am Flughafen Samedan hat sich einiges geändert: Menschen sind gekommen und gegangen, technisch hat es Neuerungen gegeben – nur die Gebäudeinfrastruktur ist immer noch die Gleiche.
Am vergangenen Montagabend hat die Mannschaft des Engadin Airport ein Jubiläumsfest für Hansueli organisiert. Diese Überraschung hat ihn sehr gefreut. «Alle Mitarbeiter und einige frühere Kollegen waren da», erzählt der Jubilar. Sogar eine Kappe und eine Jacke mit der Aufschrift «Hansueli 30 Jahre Engadin Airport» wurden ihm überreicht. Klar, dass diese nun zum Arbeitstenue gehören und mit Stolz getragen werden.






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