Während mehr als 150 Jahren haben junge Bündner ihre Heimat verlassen, um von Russland bis Portugal, von Dänemark bis Sizilien in hunderten von Landsleuten geführten Konditoreien und Cafés zu arbeiten, immer mit der Hoffnung, später selbst ein eigenes Geschäft zu gründen.
Wer aus der Fremde erfolgreich zurückkehrte, trug dazu bei, in der Heimat neue Häuser zu bauen, wirtschaftliche Unternehmen zu gründen oder neue kulturelle Initiativen zu starten. Dank solcher Tätigkeiten im Ausland entstanden in der Valposchiavo das Hotel Le Prese, die erste Bierbrauerei und die elektrische Beleuchtung des Ortes, aber auch kulturelle Initiativen wie der Theaterverein oder die Lokalzeitung «Il Grigione Italiano».
Wenig ist hingegen darüber bekannt, was unsere Zuckerbäcker den Gastländern hinterlassen haben. Mit dieser Tagung, organisiert von der Società Storica Valposchiavo, der Stiftung Musei Valposchiavo und dem Verein iStoria – Archivi fotografici Valposchiavo, soll versucht werden, auf einige dieser Fragen eine Antwort zu finden.
Reich befrachtete Tagung
Nach der Eröffnung der Tagung am Freitagabend, 5. September, durch Regierungsrat Jon Domenic Parolini sowie Podestà Giovanni Jochum wird Mónica Vázquez Astorga, ordentliche Professorin an der Universität Zaragoza, über die Rolle der Cafés in der Kultur des 19. Jahrhunderts und der Bündner Emigranten sprechen. Am Samstag beginnt das Symposium mit dem Vortrag von Justyna Rajter, Philologin aus Warschau, die sich seit mehreren Jahren mit einem der erfolgreichsten und vielseitigsten Puschlaver Zuckerbäcker in der polnischen Hauptstadt befasst.
Louise Johncox, Journalistin aus dem englischen Surbiton, beschäftigt sich ebenfalls schon länger mit ihren eigenen Puschlaver Vorfahren der Familien Beti, Forer, Lardi und Luminati, in England sesshaft geworden und noch heute in Kontakt mit der ehemaligen Heimat. Lucie Drouin aus Le Mans im Norden Frankreichs, die einen Master in Genealogie und Heraldik besitzt, berichtet schliesslich über jene Puschlaver Auswanderer, die in der Bretagne, der Normandie und den Pays de la Loire ein neues Zuhause gefunden haben, seit sich deren Vorfahren im 19. Jahrhundert in diesen Gebieten niedergelassen hatten.
Die Tagung sieht zudem Gespräche mit einheimischen Forschern der Bündner Zuckerbäckergeschichte vor und am Samstagnachmittag werden Dorfführungen auf den Spuren der Zuckerbäcker im Borgo von Poschiavo angeboten. Tagungssprache ist Italienisch, die englischen und französischen Beiträge werden simultan ins Italienische übersetzt.
Zuckerbäcker-Kulturabend
Zum Abschluss der Tagung wird am Samstagabend im Crott, einem für die Puschlaver Auswanderer historisch bedeutenden Ort, ein durch Meisterkoch Davide Migliacci zubereitetes und von den Zuckerbäckern inspiriertes Nachtessen angeboten.
Zwischen den einzelnen Gängen präsentiert Paolo Tognina verschiedene kulturelle Leckerbissen, die sich mit dem Thema der Auswanderung und der Zuckerbäcker befasst. Alessandra Jochum-Siccardi und Pierluigi Crameri zeichnen die Geschichte des Crott nach, eine von einem «Heimkehrer» erbaute Brauerei mit eigener Anlage zur Eisherstellung und Veranstaltungsräumlichkeiten, in denen auch manche Ehe emigrierter Puschlaver und Puschlaverinnen ihren Anfang fand.
Begoña Feijoó Fariña liest, musikalisch begleitet von Federico Maio, Texte, die mit der Emigration verbunden sind, während der Pianist Fabio Pola frühe musikalische Stücke interpretieren wird, die kürzlich im Nachlass eines Puschlaver Zuckerbäckers aus dessen Spanienzeit wiederentdeckt wurden.
Für den Zuckerbäcker-Kulturabend im Crott, den Mittagslunch am Samstag sowie die Dorfführung ist aufgrund beschränkter Platzzahl eine Anmeldung erforderlich, die Tagungsvorträge in der Casa Torre sind kostenlos.
Medienmitteilung Fondazione Musei Valposchiavo
Das Tagungsprogramm samt Details zum Zuckerbäcker-Kulturabend auf: www.ssvp.ch/convegno




Diskutieren Sie mit
Login, um Kommentar zu schreiben