Gianna Olinda Cadonau, die zweite Ausgabe des Festival Travers ist zu Ende gegangen. Was war dieses Mal anders als bei der ersten Ausgabe?
Gianna Olinda Cadonau: Wir haben noch mehr Leute aus dem Engadin und anderen romanischen Tälern mit einbezogen, sowohl in die Theaterproduktion "Miu bab, ses archiv ed jeu" mit zwei Laiendarstellern und Lorenzo Polin und einem einheimischen Männerchor, als auch in die Theaterproduktion "New World" mit den Jugendlichen des Lyceum Alpinum Zuoz. Wir wollen uns engagieren, aber auch experimentell bleiben in den Theaterformen, in der Zusammenarbeit mit dem Theater in Chur oder dem Nationaltheaterfestival Play, das Interesse an unseren Produktionen hat.

Der Hauptzweck des Festivals Travers ist die Förderung rätoromanischer Theaterstücke. Dies geschieht unter anderem mit dem Premi Travers Zuoz. Worauf legen Sie Wert, wenn das preisgekrönte Stück ausgewählt wird?
Bei dem preisgekrönten Stück ist es wichtig, dass der Autor seinen Text an einem bestimmten Punkt in andere Hände gibt. Wir wollen keine Person, die zwei Rollen übernimmt, zum Beispiel die Rolle der Autorin und der Regisseurin. Es geht nämlich auch darum, die Arbeit mit einem Text zu üben. Das ist gerade für uns Rätoromaninnen und Rätoromanen wichtig. Wir tragen oft verschiedene Hüte, wir sind Schauspieler, Autoren, Übersetzer und das alles in einem. Im Fall von Asa Hendry und Rebekka Bangerter hat die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert und das zeigt sich auch auf der Bühne.

Wie reagieren Sie auf die Kritik von Einzelpersonen, dass das Festival Travers nur ein Elitetheater fördert?
Diese kritischen Stimmen gibt es. Das ist eine Frage, der wir uns intensiv stellen. Unsere Antwort ist, dass es keine wirklichen Grenzen zwischen Berufstheater und Volkstheater gibt. Die Umsetzung von Asas Text zum Beispiel ist sehr performativ, er ist in seiner Form experimentell, aber die Thematik ist sehr von hier, es geht um ein bäuerliches Thema. Wir haben einen Laienchor und nur einer der drei Schauspieler ist professionell. Wir versuchen, eine Brücke zu schlagen. Natürlich gibt es Dinge, die einen Text schwieriger verständlich machen, denn die Stücke, die wir zeigen, sind im klassischen Sinne nicht populär. Im romanischen Theater haben wir eine grosse Volkstheatertradition, die das Fundament bildet, aber wir haben auch eine kleine, lebendige, professionelle Szene. Wir wollen die beiden Ufer und eine Brücke haben, die sie verbindet. Wir wollen eine gemeinsame Sprache finden und suchen sie, das macht riesigen Spass.

Gianna Olinda Cadonau ist Geschäftsführerin des Festival Travers