Die Val d’Uina befindet sich auf der orografisch rechten Seite des Inns. Das Seitental beginnt in Sur En und gehört seit jeher zu Sent, seit der Fusion 2015 zur Gemeinde Scuol. Der Name Uina stammt vom latenischen Ovis (Schaf), es bedeutet die Schafalp. Charak­teristisch ist die tiefe Schlucht zuhinterst im Tal, die Chavorgia dal Quar. Für den 600 Meter langen, in Fels gehauenen Schluchtenweg ist die Val d‘Uina bekannt. Der Weg führt zur Alp Sursass, die seit Jahrhunderten zuerst an das Kloster Mariamunt und dann an die Bauern von Mals verpachtet wurde. Weiter führt der Weg zur Chamanna Sesvenna und bis nach Schlinig in Südtirol. An kritischen Stellen ist der Weg über der Schlucht gesichert. «Las gallarias» wird der in den Fels gehauene Weg von den Einheimischen bezeichnet.
Die Initiative zum Bau des Felsenweges kam von der Sektion Pforzheim des Deutschen Alpenvereins. Diese hatte eine Clubhütte kurz hinter der Schweizer Grenze erbaut. Hauptinitiant war Adolf Witzenmann. Bauherrin war die Gemeinde Sent. Die Bauarbeiten wurden nach den Plänen von Ingenieur Richard Coray in den Jahren 1908 – 1910 durch die Firma Baratelli ausgeführt. Rückblickend war es eine immense Leistung der Bauarbeiter.

Einst ganzjährig bewohnt
Im Tal befinden sich die beiden Weiler Uina Dadora und Uina Dadaint. Die beiden Orte waren über Jahrhunderte ganzjährig bewohnt, zeitweise von mehreren Familien. Geheiratet wurde meistens untereinander. Die Ruina-s-chs lebten wegen der Abgeschiedenheit weitgehend isoliert vom Rest des Engadins. Der Übername der ehemaligen Bewohner der Val d’Uina kommt von den ausgedehnten Geröllhalden, die links und rechts des Tales zu finden sind. Geröllhalde heisst auf Romanisch «grava», «gonda» oder «ruina».
Nachkommen der Ruina-schs sind unter anderem Personen mit dem Familiennamen Valentin oder Vital. Man geht davon aus, dass die ersten Bewohner der Val d’Uina vom Vinschgau her kamen. Das erste schriftliche Dokument, das bezeugt, dass das Tal besiedelt war, stammt von 1475. Im Un­ter­engadin bezeichnet man einen eigensinnigen Menschen als «dür sco la crappa d‘Uina» (hart wie die Steine von Uina). Streitigkeiten unter den Bewoh­nern von Uina Dadora und Uina Dadaint gab es unter anderem wegen des Strassenunterhalts oder wegen Weiderechten, mit Sent führte ein Streit um Abgaben bis vor Gericht.

Land der Bären und Schmuggler
In der Val d’Uina gab es Vieh- und Waldwirtschaft, Holzkohle und Kalk wurden gebrannt, Korn wurde angebaut und es hatte sogar eine Mühle. Der Mühlstein befindet sich nach wie vor am Wegesrand eingangs der Val d’Uina. In diesem wilden Tal florierte vor allem in Kriegszeiten der Schmuggel und die Wilderei. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebten Bären im Tal. Die letzte Bärin der Val d’Uina wurde am 2. September 1897 von Andrea Lingenhag aus Seraplana geschossen. Es gibt zahlreiche Schilderungen von Begegnun­gen mit Bären in der Val d’Uina.
Ebenfalls bekannt sind die unterhaltsamen Geschichten von Gudench Barblan (1860-1916) über «Alesch d’Uina», die einen ähnlichen Charakter haben wie die humoristischen Erzählungen der Schildbürger.

Ein touristischer Geheimtipp

In Uina Dadora gibt es heute nur noch zwei Häuser mit Stall und Heustall, die «Chà Casü» und die »Chà CajÒ» sowie zwei weitere Heuställe. Der Hof in Uina Dadora wird heute von der Familie Famos aus Ramosch bewirtschaftet. Ihre Engadiner Schafe sind auch im Winter dort untergebracht. Von Uina Dadaint sind noch zwei Gebäude erhalten: ein Wohnhaus und ein Stall mit Scheune. Der Hof wird nur im Sommer bewirtschaftet. Wanderer und Biker können hier einkehren.
Eine Wanderung durch die Chavorgia dal Quar ist ein unvergessliches Erlebnis. Angeboten wird diese unter anderem von der Gästeinformation Sent. Der «Schmugglerpfad in der Val d’Uina» ist ein Tagesausflug. Die Wande­rung ist auch für Familien mit gebirgstüchtigen Kindern geeignet. 
Die Informationen zu diesem Artikel stammen von Dokumenten des Familienarchivs der Autorin, einer Nachfahrin von Ruinas-chs.