Es gibt Menschen, die reden über Musik. Und es gibt solche, die atmen sie. Als Gianni Tschenett im Zuoz Globe auf die Bühne trat, spürte man sofort, zu welcher Sorte er gehört. Er ist 25, studiert Popmusik an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, und doch wirkt seine musikalische Sprache reifer, tiefer, schwerer, als man es seinem Alter zutrauen würde. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht einfach Songs schreibt. Er baut kleine Welten.
Sein neues Album «En Tag im Herbst», das in Kürze Song für Song erscheinen wird, ist genau das: eine Welt. Ein Konzept, das sich durchzieht wie ein roter Faden, geprägt von Soul, Hip-Hop und einer emotionalen Ehrlichkeit, die irgendwo zwischen Eric Clapton, John Mayer und einer Generation aufgewachsen ist, die Gefühle nicht mehr hinter Coolness versteckt. «Es geht um das Leben, um Freundschaft, um das Erwachsenwerden», sagt er. «Um die Dinge, die uns alle beschäftigen – nur eben aus meiner Perspektive erzählt.»
Musik als Gespräch mit sich selbst
Gianni erklärt seine Arbeit nicht wie jemand, der ein Produkt beschreibt. Er spricht darüber, als würde er eine Frage beantworten, die ihn im Innersten beschäftigt. Jeder Song auf dem kommenden Album habe einen Grund, sagt er. «Ich schreibe, weil ich etwas verstehen will. Erst, wenn ich einen Song fertig habe, weiss ich, was ich eigentlich sagen wollte.»
Sein Weg führte ihn früh über die Grenzen des Engadins hinaus, zu eben jenem Popmusikstudium an die ZHdK. Den Bachelor hat er bereits gemacht, jetzt arbeitet er am Master. Dort, mitten unter Gleichgesinnten, lernte er einerseits die Sprache des Handwerks, andererseits aber auch, wie viel Mut es braucht, um musikalisch wirklich zu sich selbst zu stehen. «Du wirst dort jeden Tag gefordert, du musst dich erklären, dich verteidigen, du wirst besser – oder aufgefressen.» Gianni sagt das mit einem Lächeln, als wüsste er genau, dass er Ersteres gewählt hat.
Die Suche nach dem Moment
Vergangenen Samstag zeigte er, was er damit meint. Im Zuoz Globe spielte er das gesamte neue Album live ein – mit neun anderen Musikerinnen und Musikern. Kein Fine Tuning, kein ausgefeiltes Studio, kein Netz, kein doppelter Boden. Es sollte ein Moment entstehen, der nicht wiederholbar ist.
«Ich wollte, dass die Musik atmet. Dass die Menschen, die mit mir spielen, einander hören. Dass Fehler passieren dürfen. Dass wir uns in etwas verlieren, das nur an diesem Abend existiert.» Es ist ein Ansatz, der gleichzeitig altmodisch und radikal modern wirkt: Musik als gemeinsamer Atemzug.
Seine Formation dafür war bewusst nicht klein. Bläser, Drums, Keys, Gitarre, mehrere Stimmen – ein Klangraum, der sich biegt und wölbt, der warm ist, organisch, pulsierend. Und mittendrin Gianni, der mit seiner Gitarre Linien zieht, die einmal nach Soul klingen, einmal nach Hip-Hop-Groove, dann wieder nach Blues. «Ich mag Musik, die von Herzen kommt, nicht von der Playlist.»
Ein Album als Wegmarke
Gianni spricht über sein neues Album nicht wie ein Musiker, der schon alles weiss, sondern wie jemand, der noch sucht – und genau darin eine Stärke sieht. «Ich möchte ehrlich bleiben, und das heisst manchmal auch, dass man nicht weiss, wohin es geht.» Die Songs, die nun in Zuoz live aufgenommen wurden, sollen später im Studio verfeinert werden. Doch der Kern bleibt: die Energie eines Raumes, die Nähe zwischen Musikern, die kleinen Unsauberkeiten, die ein Gefühl erst echt machen. Für Gianni ist dieses Album ein Schritt. Vielleicht der wichtigste bisher. Ein Versuch, seine Kindheit im Engadin, seine Ausbildung in Zürich und seine musikalischen Vorbilder in einem Klang zu versammeln. «Ich glaube, das Album zeigt, wer ich gerade bin. Nicht wer ich sein möchte.»
Zwischen Heimat und Weitblick
Er ist jung, ja. Aber er denkt nicht klein. Und doch wirkt in jedem Satz eine Erdung, die man oft vergeblich sucht. «Ich komme aus Celerina. Das bleibt so. Egal, wo ich spiele oder was ich mache.» Vielleicht ist es genau diese Mischung – der Blick hinaus und der Boden unter den Füssen – die seine Musik so nahbar macht.
Wenn Gianni Tschenett über seine Songs spricht, wirkt es für einen Moment, als sei Musik für ihn nicht nur Beruf oder Berufung, sondern ein Ort. Ein Ort, an dem man sich verlieren, finden und manchmal auch ein bisschen trösten kann. Und vielleicht ist sein neues Album genau das: eine Einladung, diesen Ort zu betreten.
Autorin: Sina Margadant
Fotos: Sina Margadant
Album «En Tag im Herbst»
«En Tag im Herbst» erscheint nicht als ganzes Album, sondern Song für Song:
25. November -Früehner
23. Dezember -Tüfel, Part II
30. Januar - Wiso luagsch?
27. Februar - Es goht au ohni
27. März - Meeh Zit für di
24. April - I lohn di los
29. Mai - Puri Liebi
26. Juni - Boundaries
24. Juli - Nume für üs zwai
28. August - Für immer nett
25. September - Herbst (mit dem Song Herbst wird auch das ganze Album veröffentlicht)
Das Live-Album, welches im Zuoz Globe aufgenommen wurde, erscheint am 27. November 2026.
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