Unter dem Titel «Engadin – Künstlerische Forschung – Geografie – Ökolo­gie» verbindet das Projekt naturwissenschaftliche Analyse mit gestalterischer Praxis. Im Fokus steht die Wahrnehmung als Ausgangspunkt von Erkenntnis – ein Zugang zwischen geo- und biowissenschaftlicher Beobach­tung und künstlerischer Verarbeitung. Die Jugendlichen nähern sich der Landschaft mit Malerei, Fotografie, Klang und Performance. Ihre Begegnung mit der alpinen Umwelt ist eingebettet in Exkursionen zu geologischen, ökologischen und geografischen Themen. Dabei entwickeln sie eigene Fragestellungen und setzen diese in experimentellen, prozessorien­tierten Arbeiten um – etwa in Maloja, im Val Fex oder am Silsersee. 

Das Engadin wird so zum offenen Atelier. Ob bei der Gletscherüberquerung auf der Diavolezza, bei Beobachtungen im Schweizerischen Nationalpark oder im Austausch mit Fachpersonen – die Jugendlichen erleben den Klimawandel nicht als abstrakte Theorie, sondern als konkrete, sichtbare Realität. Wissenschaftliche und künstlerische Zugänge greifen ineinander. Die intensive Auseinandersetzung mit der Natur vermittelt nicht nur Wissen, sondern auch Haltung – und Verantwortung.

Ein Lieblingsort der Schülerinnen und Schüler ist der Silsersee – insbesondere die Halbinsel Chastè. Etwas in Vergessenheit geraten ist, dass 1946 Pro Natura, der Schweizer Heimatschutz, und über 20 000 engagierte Jugendliche durch den Verkauf des ersten Schoggitalers ein geplantes Kraftwerk verhinderten, das den See überflutet hätte. Mit dem Erlös konnte ein zentrales Ufergrundstück erworben und das Bauvorhaben gestoppt werden. Diese Initiative bewahrte nicht nur einen einzigartigen Naturraum, sondern zeigt bis heute: Junge Menschen können Geschichte schreiben.
Neben den naturwissenschaftlichen Erkundungen entstehen dichte künstlerische Arbeiten: Installationen aus Fundstücken, serielle Zeichnungen, poetische Tagebücher und Klangexperimente. 

Die Projektwoche mündet in individuelle Gestaltungen: Zeichnungen, Gedichte, Performances – dokumentiert in einem Portfolio. Dieses Bildungsprojekt steht exemplarisch für eine Schule im Wandel: interdisziplinär und erfahrungsbezogen. Im Engadin wird Lernen konkret. Die Landschaft ist nicht nur Kulisse, sondern Spiegel und Bühne natürlicher Prozesse und menschlichen Handelns.

 Markus Rohner, Lydia Sautter, Atelierschule Zürich